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Wien - Wer lange genug ausharrt, wird irgendwann belohnt. Zumindest in Favoriten. Längst hatte sich die Dunkelheit über das verwaiste Horr-Stadion gelegt, als sich rund 40 junge Fans vor dem VIP-Eingang einfanden, um Auskunft zu begehren über den Stand der Dinge am Verteilerkreis. Ihre Mannschaft, die Wiener Austria, hatte soeben 0:1 (Kollmann, 9.) gegen den GAK verloren und dabei eine mit kläglich nur unzureichend beschriebene Leistung geboten. Wer ihrem Begehren entsprach, war der Trainer.

Joachim Löw ließ jene Gittertür, die sonst wichtige und andere Personen trennt, aufsperren und nahm in Mitten der Anhängerschaft Platz. Trotz mittlerweile eisiger Kälte hörte er sich geduldig ihre Lamentos an, ihre Wünsche, ihre Fragen. Ab und an zog er an seiner Zigarette. Er wirkte angespannt, aber nicht ängstlich. Wenn er selbst redete, dann wenig und leise. Eine halbe Stunde später verabschiedete sich die Menge. Noch immer unzufrieden, aber mit Respekt vor dem Fußballlehrer aus Schwaben. So blieb ihm wenigstens ein Teilerfolg. Das schlimmste hatte Löw zu diesem Zeitpunkt längst überstanden.

Richtig gefährlich wird es für einen Trainer, wenn er vom gegnerischen Kollegen in Schutz genommen wird. Also sprach Walter Schachner: "Es ist nicht immer der Trainer, der Schuld hat. Ich glaube, Jogi leistet gute Arbeit. Wenn die Spieler das nicht umsetzen, kann er wenig machen."

Die Urteilskraft Schachners hin, die Fans her, Tatsache ist, dass es Joachim Löw bis heute nicht geschafft hat, aus der Austria ein Team zu formen. Die im Falle eines schlechten Ergebnisses von ihm stets zitierten "individuellen Fehler" haben System. Bis heute greifen die verschiedenen Mannschaftsteile nicht ineinander über, fehlt die Abstimmung, rätseln die einen Austrianer immer noch über die Laufwege der anderen. Wenn das für die Kreativität zuständige Stammpersonal (Wagner, Vastic, Janocko) dann auch noch so versagt wie gegen den GAK, ist der Gau perfekt.

Die aktuelle Posse um Paul Scharner verkommt angesichts dieser Probleme zur Randnotiz. Der 23-jährige hatte seine Einwechslung verweigert. Begründung: Im rechten Mittelfeld, wo ihn Löw haben wollte, wollte er nicht spielen, lieber in der Mitte. Der Trainer Löw beugte sich dem Spieler Scharner nicht. "Paul Scharner wird bei der Austria kein Spiel mehr machen" sagte er nachher. Was laut Sportdirektor Günther Kronsteiner ("im Moment ist jede Kritik an uns berechtigt") keiner Entlassung gleichkommt: "Ob Scharner aber künftig mit der Mannschaft trainiert oder alleine, ist allein Sache des Trainers." (Klaus Stimeder, DER STANDARD PRINTAUSGABE 21.10. 2003)