Paris/Madrid/Brüssel/London/Bern - Die eidgenössischen Wahlen in der Schweiz werfen in den Montagausgaben der ausländischen Zeitungen kaum Wellen. Jene die dem Ereignis doch etwas mehr als einige Zeilen widmen, kommentieren den Rechtsrutsch durch den Sieg der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) und verweisen auf Österreich und Frankreich. "Die Schweiz hat ein weiteres Schrittchen auf dem Weg zum Haiderismus getan", schreibt die spanische Zeitung "El Mundo" am Montag.

Da es aber zu schwer sei, das Gleichgewicht zwischen den vier großen Parteien zu brechen, sei ein Rechtsruck wie ihn Jörg Haider (F) in Österreich bewirkt hatte, nicht möglich, so "El Mundo" weiter. "Aber es ist sehr beunruhigend, dass der Trend nach rechts nun auch auf die französischsprachige Schweiz übergreift." Diese sei bisher gegen die germanische Form des fremdenfeindlichen Populismus weitgehend immun gewesen.

Die linksliberale "Liberation" aus Frankreich spricht vom Erfolg der "Ultrarechten" und fragt sich im Bezug auf das Wanken der Zauberformel, ob die Schweiz "ihren politischen Big Bang" erleben wird. Die Wahl zeige den "Vertrauensverlust der Schweizer im Hinblick auf die Zukunft". Für die belgische Tageszeitung "Le Soir" ist das "Zeitalter des Konsens beendet". Die Partei des Milliardärs Christoph Blocher (die SVP, Anm.) habe eine Kampagne gemacht, die auf der Angst basiert habe und bei den Schweizern auf fruchtbaren Boden gefallen sei.

Einen Vergleich Blochers mit Frankreichs Jean-Marie Le Pen und Österreichs Jörg Haider zieht auch die "Financial Times" aus London. Der "Zürcher Multimillionär" habe wirtschaftliche Schwierigkeiten und die Unsicherheit im Volk genutzt, schreibt die Zeitung weiter. Wie andere Zeitungen verweist auch die "Financial Times" auf die "rassistische Wahlpropaganda", die auch vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) letzte Woche gerügt worden war.

Schweizer Pressestimmen

Die Schweizer Zeitungskommentatoren sehen das Ende der Schweizer "Zauberformel" von 1959 gekommen: Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) habe nach dem triumphalen Wahlsieg berechtigten Anspruch auf den zweiten Sitz im Bundesrat (Regierung). Ein SVP-Bundesrat (Minister) Christoph Blocher sei kein Ding der Unmöglichkeit mehr. Die ultimative Forderung der SVP - ein zweiter Bundesratssitz oder der Abzug von SVP-Verteidigungsminister Samuel Schmid - grenze zwar an Erpressung, heißt es in mehreren Kommentaren. Eine neue Zauberformel sei aber in der Tat fällig, stellt die "Neue Zürcher Zeitung" fest.

Die übrigen Fraktionen müssten nun entscheiden, ob man Blocher in die Verantwortung ziehen oder ihn das Oppositionsspiel weiter ausreizen lassen wolle. In der Schweizer Geschichte habe man schon öfter widerborstige Kräfte erfolgreich in die politische Verantwortung integriert.

Wer die Konkordanz erhalten wolle, müsse einen zweiten SVP-Vertreter in den Bundesrat wählen, findet auch der "Tages- Anzeiger". Die CVP solle deshalb auf einen ihrer zwei Sitze verzichten. Der "Bund" ergänzt: "Ob die CVP Deiss oder Metzler opfert, soll sie selber bestimmen."

Das "St. Galler Tagblatt" sieht die Zeit gekommen, Blocher die Gelegenheit für eine Exekutivarbeit zu geben. Damit gehe dieser ja auch ein beträchtliches Risiko ein, indem von ihm mehr gefragt sein werde als Oppositionsparolen. Das könne, wie der Fall Haiders in Österreich zeige, "ziemlich rasch ins Auge gehen".

Die "Neue Luzerner Zeitung" erinnert daran, dass es nicht ehrlich sei, die SVP oppositioneller Allüren zu bezichtigen und ihr gleichzeitig eine angemessene Vertretung in der Regierung vorzuenthalten. Allerdings erfordere der Reformbedarf in der Schweiz eine Kompromissfähigkeit bei allen Beteiligten, gibt die "Thurgauer Zeitung" zu bedenken. Extreme Positionen seien der Sache nicht dienlich.

Mit der stärkeren Einbindung der SVP ließe sich auch der weitere Vormarsch der Partei bremsen, mutmaßt die "Aargauer Zeitung". Wenn das Parlament dagegen die Wahlsiegerin nochmals draußen lasse, sei die Märtyrer-Rolle der SVP definitiv zementiert, ergänzt die "Südostschweiz".

Ähnlich ist der Tenor in der Westschweiz. Die Parteien müssten sich der Realität stellen, fordert "Le Temps". Alle möglichen Strategien seien zwar mit Risiken verbunden, doch der Souverän habe mit seinem Votum bewiesen, dass er lieber Gefahren in Kauf nehme als in der politischen Immobilität verharre.

Für eine "Neuerfindung" der Zauberformel spricht sich auch der "Nouvelliste" aus. Dieselbe Haltung vertritt die "Tribune de Genève" : Die Integration aller politischen Kräfte sei in einer direkten Demokratie unerlässlich. (APA/sda)