STANDARD: Hatten Sie in den letzten Wochen nicht das Gefühl, trotz deutlicher Stärkung am Wahlabend von ÖVP und SPÖ übersehen worden zu sein?

Anschober: Nein, wir haben von Beginn an die Bereitschaft signalisiert, mit SPÖ und ÖVP zu verhandeln. Es hat auch unmittelbar nach der Wahl erste Gespräche gegeben.

STANDARD: Man hatte aber trotzdem den Eindruck, Rot und Schwarz verhandelten hinter verschlossenen Türen, und für die Grünen hieß es "Bitte warten".

Anschober:In jedem anderen Bundesland mit einer Proporzregierung wäre mit diesem Wahlergebnis unser Regierungseinzug gesichert. Nur in Oberösterreich gibt es ein legistisches Schlupfloch zum Biegen des Wählerwillens. Es ist daher selbstverständlich, dass wir bereits vergangenen Montag eine Einladung an ÖVP und SPÖ ausgesprochen haben und die Verhandlungsangebote jetzt annehmen.

STANDARD: Sind Sie überrascht von der ÖVP-Einladung?

Anschober: Sicherlich überrascht, dass es nicht unmittelbar in Richtung Schwarz-Rot geht. Wir werden jetzt mit beiden Seiten konstruktiv verhandeln. Es gilt jetzt, die Chance etwa für eine neue Umweltpolitik, mehr Frauengleichberechtigung oder eine offensivere Kulturpolitik abzuchecken.

STANDARD: Angst, doch vielleicht "taktischer Joker" von SPÖ und ÖVP zu sein, und am Ende mit Ihrem grünen Sessel draußen sitzen zu bleiben?

Anschober: Ein Taktieren ist jetzt ganz normal, das gibt es derzeit von allen Seiten. Wir haben aber nicht das Gefühl, dass mit uns nur Scheinverhandlungen geführt werden.

STANDARD:In den schwarz-roten Verhandlungen wurde über "Saubartlpolitik" und "Pühringer als oberösterreichischer Schüssel" geschimpft - schwarz-rote Verhandlungen mit Unterhaltungswert?

Anschober: Ich mische mich nicht in die Eheschwierigkeiten von ÖVP und SPÖ ein. Vielleicht ist die schwarz-rote Dauerehe doch schon etwas überstrapaziert. Uns geht es um inhaltliche Dinge, wir wollen in den Verhandlungen die grüne Botschaft verankern.

STANDARD: Ihr Eindruck von den ersten Gesprächsrunden mit der ÖVP?

Anschober: Die Gespräche sind gut angelaufen, jetzt aber schon konkrete Prognosen zu stellen wäre, wie auf den ersten Metern eines Marathons schon vom Sieg zu sprechen.

STANDARD: Die SPÖ bezeichnete die Sympathierufe der Bundesgrünen zu Schwarz-Grün als "nicht gerade förderlich für Ihren Landesrat-Wunsch".

Anschober: Wir lassen uns dadurch nicht beirren. Wir waren im Wahlkampf sehr dankbar für die Unterstützung von Bundesebene - auch jetzt besteht ein guter Kontakt, die Entscheidung aber wird rein in Oberösterreich getroffen.

STANDARD: Wie realistisch schätzen Sie die Chancen auf Schwarz-Grün ein?

Anschober: Ich bin kein Wahrsager, es besteht aber immer noch eine große Wahrscheinlichkeit, dass ÖVP und SPÖ doch zueinander finden. Für uns ist es wichtig, den Fokus nicht auf Schwarz-Grün zu lenken, wir führen mit beiden Seiten Verhandlungen, nachdem beide Parteien in der Regierung vertreten sein werden - dies bedeutet vor allem, dass vonseiten der SPÖ und ÖVP viel Beweglichkeit notwendig sein wird.

STANDARD: Wollen Sie um jeden - auch ideologischen - Preis in die Landesregierung? Gibt es eine Schmerzgrenze, wo sie sagen: Nein, dann lieber nicht?

Anschober: Entscheidend war für uns der 28. September als politischer Durchbruch für die Grünen. Grün ist nicht mehr aufzuhalten, alles, was jetzt noch kommt - auch der Grüne Landesregierungssitz -, ist sozusagen der Schnittlauch auf dem Butterbrot. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 20.10.2003)