Eine Anekdote: Der pubertierende Sohn eines Bekannten fragt seinen Vater: "Tust du auch manchmal downloaden?" Der, ganz am Zahn der Zeit, antwortet: "Na ja, wenn ich bei Recherchen auf etwas Interessantes stoße, oder ein Lied suche, dass . . ." "Nein, nein", wirft sein Sohn ein: "Du weißt schon, downloaden" - und führt jene eindeutige Handbewegung aus, die Bibelleser als die Sünde von Onan qualifizieren.

Während diese Form des Downloaden durchaus nachvollziehbar erscheint, verschließt sich mir das Absaugen von Musik aus dem Internet total. Brauch ich nicht. Kann ich nicht. Ich lehne es ab, ohne es zu kennen. So wie die Todesstrafe. Nicht weil es feig ist, der Industrie schadet oder ich Angst habe, dass nächtens Männer mit Sonnenbrillen an meiner Türe stehen könnten und ich die Demütigung über mich ergehen lassen müsste, meine Festplatte auf Spuren von Mariah Carey, Robbie Williams oder Justin Timberlake untersuchen zu lassen. Nein, macht nur. Ihr werdet nichts finden!

Auf was Besucher jedoch stoßen würden, sind Wände voll von legalem Presswerk. Schwarze und teilweise auch bunte Polymerverbindungen, in Kreisform geschnitten, in zärtliche Inner Sleeves getaucht und in Karton verpackt, auf dessen Außenseite etwas gedruckt ist, das man zurecht einmal Artwork nannte. In übelster Schrebergartenbesitzermanier sind diese Teile brav durchalphabetisiert aneinander gereiht und nehmen ein ganzes verdammtes Zimmer in Beschlag: Schallplatten, Baby! Gut, eine Wand ist von CDs befallen, aber die zählen nicht wirklich. Aber Vinyl besitzt immer noch jene Wertigkeit, an die so ein durchsichtiges MP 3-File oder ein Judas-Silberling nie herankommen werden.

Mit der Markteinführung der CD in den 80ern wurde die Schallplatte totgesagt. Die DJ-und eine prosperierende Underground-Kultur, die ein gemütliches Dasein ohne Anbindung an die Majors der Musikindustrie führt, machten dieser Prognose jedoch einen Strich durch die Rechnung. Sogar Majors veröffentlichen heute wieder hochwertige Vinyleditionen von immergrünem Material. Vom Otis-Redding-Gesamtwerk bis zu David Bowie. Auch topaktuelle Künstler gibt es auf Vinyl, sogar auf 7-Inch-Singles, zu erstehen. Klangfetischisten, die vor gar nicht allzu langer Zeit auf Knien vor ihren mit Buntstiften behandelten CDs knieten und Klirrfaktoren maßen, gestehen sich langsam ein, dass nichts an gutes, fettes Vinyl heran reicht. Deshalb werden immer noch Plattenspieler hergestellt - und gekauft!

Warum? Schallplatten erzählen Geschichten. Schnüffeln Sie einmal an einer Platte, die älter ist als sie selbst. Eine LP, die Sie via Air Mail über einen Ozean erreicht hat. Wo und bei wem mag sie die vergangenen 35 Jahre verbracht haben? Und dann erst dieser ewig jungfräuliche Moment, in dem sich die Nadel senkt und in die Pressspur eintaucht. Jener Sekundenbruchteil, den ein zart elektrisches Knistern begleitet, bevor - bleiben wir bei Otis Redding - dieser anhebt und "I'm a love man" singt. Yeah!

Denn genau darum geht es nämlich - um die Liebe: Wer Musik liebt, der wird sie und ihr Medium auch entsprechend behandeln. []