Der Verleger im Zwiespalt zwischen Mensch und Marke: "Es gab am Anfang sogar den Vorschlag, ich soll das Ganze Bronnerblatt nennen! Das ging mir dann doch etwas zu weit."

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Zwei STANDARD-Redakteure wollten endlich wissen, wer der Mann ist, der in der Rundfunkwerbung so freundlich grüßt und wie es mit seiner Zeitung so weit kommen konnte: Mischa Jäger und Claus Philipp im Gespräch mit ihrem Herausgeber über den langen Weg von New York zu einer heimischen "NY Times."

Gibt es eine Episode, die Sie mit der Gründung des STANDARD besonders verbinden?
Oscar Bronner: Eine Episode? Sie werden gleich bemerken, dass ich kein guter Anekdotenerzähler bin. Nein, es war eine mehrfach verwickelte, komplizierte Geschichte, dass ich mich hineinbegeben habe in die Situation, diese Zeitung zu machen.

Es gibt eine Anekdote von Armin Thurnher: Dass vor gut 16, 17 Jahren immer wieder Journalisten zusammensaßen und klagten: das Land brauche endlich eine Qualitätszeitung, die nicht parteipolitisch fokussiert und dominiert sei. Sie hätten da eingeworfen: Na, warum tut ihr es nicht? Was hat Sie veranlasst, nach 13 Jahren als Maler in New York zurückzukehren und zu sagen: Gut, dann mache ich das selber?
Bronner: Das mit dem Wehklagen war schon seinerzeit vor der Gründung von "trend" und "profil" nicht anders. Da sind wir als junge Journalisten frustriert in der Kantine gesessen und haben gesagt, es sollte in Österreich so etwas wie den "Spiegel" geben. Manche von denen, die da mit mir lamentiert haben, lamentieren heute noch über irgendwas, oder sie sind in Pension. Auch Thurnher hat mich seinerzeit entgeistert angeschaut, als ich sagte: Machen Sie's doch!

Also habe ich halt selbst angefangen, nachzudenken. Sehen Sie, ich bin seinerzeit auf ein halbes Jahr nach New York übersiedelt, habe nach dreizehn Jahren festgestellt, dass das halbe Jahr schon vorbei ist und wollte wieder nach Hause kommen. Aber diese Entscheidung hieß gleichzeitig, die "New York Times" (NYT) gegen die damals vorhandenen österreichischen Tageszeitungen auszutauschen. Das hat mich etwas zögern lassen.

Am Anfang wollte ich die Zeitung gar nicht selber machen. Ich habe prominente Journalisten angesprochen, auch einen damals durchaus bekannten Verlagskaufmann. Ich habe gesagt: Schaut, da gibt es die Möglichkeit, ich bin bereit mitzuhelfen, aber ich will eigentlich weiter malen. Am Anfang waren alle begeistert, dann sind sie irgendwann einmal abgesprungen, ich war mehr oder weniger allein, und es war die Frage: Ist es mir wichtig genug, es trotzdem zu machen? Nach einigem Nachdenken bin ich zum Schluss gekommen, es ist es wert.

Gab es in der ersten Zeit des STANDARD Glücksmomente, wo Sie dachten: Das entspricht dem, was ich mir vorstelle?
Bronner: Kaum, weil ich den STANDARD immer an den großen Zeitungen der Welt gemessen habe. Und da waren wir in der Anfangszeit noch eine Weile davon entfernt in meinen Augen. Aber es war halt damals das Beste, was wir mit dem vorhandenen Geld, mit den Gegebenheiten geschafft haben: Spurenelemente dessen, was mir wichtig war.

Das ist aber ganz normal: Auch die "NYT" war nicht immer die Superzeitung, die ich schätzen und lieben gelernt habe. Große Zeitungen haben üblicherweise eine lange Tradition. Mir war bewusst, dass man das nicht aus dem Stand schaffen kann. Auch unter optimalen Voraussetzungen nicht. Und die Voraussetzungen waren nicht optimal.

Wie haben Sie recherchiert, wer geeignet sein könnte, Ihnen auf diesem Weg beizustehen?
Bronner: Zuerst habe ich, wie gesagt, mit einigen der besten Journalisten Gespräche geführt. Alle waren begeistert und haben ihre Bereitschaft erklärt, mitzumachen. Dann ist das Projekt in der ersten Phase gescheitert, weil die Bankkredite, mit denen ich das zu finanzieren gedachte, politisch torpediert wurden. Und dann kam die zweite Phase, als ich den Springer-Verlag als Partner gewonnen habe. Da habe ich diese bekannten Journalisten wieder kontaktiert und plötzlich hat sich keiner mehr getraut.

Ähnliches hatte ich aber schon erlebt damals bei der Gründung von "trend". Also musste ich mich dann auf die Suche nach anderen machen, es haben sich auch Leute beworben. Einige sind heute noch im Haus. Und das war eigentlich, wenn man zurückschaut, auch der richtigere Weg. Manchmal führen die Dinge, die nicht so glatt passieren, zu den stimmigeren Resultaten. Letztlich wird diese Zeitung zu dem werden, was sie sein soll, wenn sich Leute engagieren, die bereits mit dem STANDARD aufgewachsen sind. Die nie in diversen Parteizeitungen oder sonstigen Organen gearbeitet haben, von Anfang an auf Augenhöhe mit dem Leser kommuniziert haben. Das ist die Grundphilosophie dieser Zeitung.

Auffällig war von Anfang an in der Titelzeile der Passus: "Herausgegeben von Oscar Bronner". Was war Ihr Hintergedanke dabei?
Bronner: Manche Mitarbeiter haben mich animiert, mich noch stärker ins Rampenlicht zu stellen, weil ich halt die einzige bekannte Größe der von manchen mit Häme bedachten No-Name-Zeitung war. Es gab sogar den Vorschlag, ich soll das Ganze "Bronnerblatt" nennen! Das ging mir dann doch etwas zu weit.

Der Oscar Bronner, der mit seinem Namen für eine Marke steht, ist das der echte, fühlt er sich wohl dabei? Müssen Sie sich da überwinden?
Bronner: Es stimmt schon: Ich bin ein eher privater Mensch, der nicht gerne im Scheinwerferlicht steht, der immer noch Hemmungen hat, wenn er vor Publikum reden muss. Damals wurde ich überzeugt, dass es für die Sache wichtig ist. Dazu kam: Es war nicht geplant, dass der Axel-Springer-Verlag mein Partner wird, das hat sich so ergeben. Ich bin dem Springer-Verlag auch sehr dankbar, dass er die Gründung ermöglicht hat. Die haben aber natürlich ein eigenes Image, das nicht in allen Punkten mit meinem übereinstimmt, und da war es wichtig herauszustreichen, dass ich der Macher bin. Tatsächlich: Dass wir eine Springer-Zeitung sind – dieser Vorwurf kam nie.

>>> Fortsetzung, Teil II des Interviews mit STANDARD-Herausgeber Oscar Bonner