Die Rechenfehler der schwarz-blauen Regierung häufen sich. Sie hat sich bei der Ambulanzgebühr verrechnet - und ist beim Höchstgericht abgeblitzt. Noch schlimmer: Zurückgeschmissen wurde das Bundesbetreuungsgesetz - ein schwerer Rückschlag für die konservative Asylpolitik. Last but not least: Die "Reform" der Sozialversicherung wurde gekippt. Kein Wunder, beherrscht doch selbst der Finanzminister die Mathematik nicht. Die Zahl der Nullen hinter dem Komma seines Aktienbesitzes wurde zum Synonym für schlampigen Umgang mit der Unvereinbarkeit. Die Vermutungen gehen darüber hinaus.

Vor allem ist es ein schwerer politischer Denkfehler, die Gewaltenteilung zu ignorieren und Reformen durchzupeitschen, die beim Verfassungsgerichtshof nicht halten. Beispiel Sozialpolitik: Die Funktionen in der Sozialversicherung wurden stets nach den Ergebnissen der Arbeiterkammerwahlen besetzt - nach dem Prinzip der Selbstverwaltung. Für die Regierung galt das auf einmal nicht. Man färbte um und nannte die neue Konstruktion effizientes Unternehmen - das in Wirklichkeit vor allem die Zahl der Funktionäre und die Höhe der Gehälter gesteigert hat.

Noch ist unsicher, ob nicht auch ein Teil der Universitätsreform aufgehoben wird. Die hohen Schulen pfeifen aus dem letzten Loch, obwohl man den Studenten eine Studiensteuer aufgebürdet hat - kein Cent davon wurde bisher an die Rektorate ausbezahlt. Die Universitätsräte haben größere Anlaufprobleme als erwartet, die Forschungsaufwendungen bleiben weit hinter den von der Regierung gesteckten Zielen zurück.

Drittes Beispiel, die Industriepolitik: Bei Privatisierung und Beteiligungen wurde der Klima-Schüssel-Kurs fortgesetzt, die Führung der rot- schwarzen, deshalb jedoch nicht inkompetenten ÖIAG entpolitisiert - hauptsächlich mithilfe von Papierunternehmern aus dem Freundeskreis des Thomas Prinzhorn. Das Versprechen, nicht hineinzuregieren, hielt nicht lange. Schüssel und Grasser wollten Geld sehen, weshalb sie sogar den ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer an den Rand einer Niederlage brachten.

Viertes Beispiel, die Abfangjägerbeschaffung: Dass wir sie brauchen, steht außer Zweifel. Gerade dann, wenn wir wie Rot und Grün an der Neutralität festhalten wollen. Aber es mussten die teuersten und umstrittensten Jets sein, deren Fabrikations- und Lieferprobleme zu einem jahrelangen Blackout am Himmel über Österreich führen können. Die Hauptsache: Magna und EADS sind im Spiel, obwohl sich Stronach & Co auch ohne Eurofighter weiter in Österreich engagieren würden.

Fünftes Beispiel, die Kinderdebatte: Viele kleine Papagenas und Papagenos sollen die Österreicher kriegen. Aber wenn es um Ganztagsschulen zur Entlastung berufstätiger Mütter geht, gilt sofort ein ideologischer Vorbehalt.

Warum subventioniert Frau Gehrer eigentlich katholische Klosterschulen? Weil das die "richtigen" Institute sind. Warum fördert man bei Ausländern den Familiennachzug nicht? Weil das - entgegen der christlichen Lehre - die "falschen" Zuzügler wären. Fremde - um Gottes willen. Gottes wirklicher Wille ist sicher ein ganz anderer.

Ein Glück, dass in Österreich noch die Gewaltenteilung funktioniert. Aber wahrscheinlich hat man sich sogar da verrechnet. Indem man einen "Schwarzen" an die Spitze des Verfassungsgerichtshofs gehievt hat, der (was aber vorauszusehen war) nicht so entscheidet, wie Schwarz- Blau möchte.

In den Krankenkassen war der Verschwender zugange, der Staat erwies sich als schlechter Unternehmer, die Universitäten waren und sind schwerfällig. Alles richtig. Aber die von der Regierung aus diesen Befunden gezogenen Schlüsse sind großteils falsch. Der Sozialpartnerstaat Österreich eignet sich nicht für neokapitalistische Experimente. Seine Institutionen brauchen trotzdem unternehmerisch agierende Führungen. Und Verantwortliche, die an den Ergebnissen ihrer Arbeit gemessen werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.10.2003)