Mit der Zustimmung der einst heftigsten Kriegsgegner Frankreich und Deutschland zur neuen UNO-Irakresolution ist so etwas wie ein Burgfrieden im transatlantischen Verhältnis eingetreten. Paris und Berlin machen zwar klar, dass sie nach dem Krieg, den sie nicht verhindern konnten, auch die US-Normalisierungspläne für den Irak in der vorliegenden Form nicht billigen; aber sie haben mit ihrem Ja zur Resolution ein UNO-Mandat für die Besatzungstruppen ermöglicht und damit den USA wenigstens psychologisch zu einer Entlastung verholfen.

Auf beiden Seiten kehrt Ernüchterung ein. Selbst die vehementesten Bush-Strategen einer weltweiten Absicherung der US-Interessen haben inzwischen erkannt, dass Alleingänge kontraproduktiv sind. Umgekehrt sehen die europäischen Kriegsgegner ein, dass intensiver Dialog mehr bringt als rechthaberische Justamentstandpunkte - ohne dass man dabei Grundsätze preisgeben muss.

Geduldig miteinander reden, überzeugen, Vertrauen schaffen: Was die Supermacht USA im globalen Beziehungsgeflecht nach den Erfahrungen des Irakkonflikts mehr denn je beherzigen muss, ist für die europäischen Großmächte Frankreich und Deutschland im EU-Rahmen das Gebot der Stunde. Alles, was auch nur den Anschein des "Drüberfahrens" erweckt, erzeugt bei den anderen Misstrauen - ob dies nun eher symbolische Gesten sind wie die Vertretung des deutschen Kanzlers durch den französischen Präsidenten beim EU-Gipfel oder Alleingänge beim Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems.

Für die mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer bleibt in der Sicherheitsfrage bis auf weiteres Washington die erste Adresse. Damit ist klar: Nur die Wiederherstellung - besser: Neugestaltung - eines soliden transatlantischen Verhältnisses ermöglicht eine auch politisch und militärisch starke EU. (DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.10.2003)