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Der ungarische Ministerpräsident Peter Medgyessy würde Kanzler Schüssel - hier bei bilateralen Gesprächen in Ungarn Ende September 2003 - repräsentieren. Wenn dieser ihn bitten würde.

Foto: APA/EPA/Laszlo Czika
Brüssel - "Wir sind für eine gemeinsame Verteidigungspolitik in der EU. Aber wir müssen das rational angehen und parallele Strukturen zur Nato vermeiden", betont der ungarische Ministerpräsident Peter Medgyessy am Freitag nach seiner Teilnahme am Brüsseler EU-Gipfel im Gespräch mit dem Standard. Die angestrebte Vorreiterrolle von Deutschen, Franzosen, Belgiern und Luxemburgern und deren engere Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik lehnt er aus Sicht des Nato-Mitglieds Ungarn nicht ab: "Im Prinzip bin ich nicht dagegen, das ist eine interessante Perspektive", so Medgyessy. Es müsse aber eine "offene Kooperation sein, die dem offen steht, der die Voraussetzungen erfüllen kann". Ungarn sei selbst finanziell und militärisch allerdings noch nicht bereit, meint der Premier.

Budapest liegt nahe bei Wien

Mit dieser Haltung liegt die Regierung in Budapest nicht fern von der in Wien. Doch die politischen Gemeinsamkeiten mit Ungarns und Österreichs in der EU reichen derzeit noch viel weiter: "Wir haben eine ähnliche Größe, sind zwei Länder, die sich seit Jahren - vielleicht Jahrhunderten - gut verstehen und haben viele Interessen, die ziemlich ähnlich sind", sagt Medgyessy und weist dabei unter anderem auf die Forderung in der EU-Verfassungsdebatte hin, wonach jeder Staat einen vollberechtigten EU-Kommissar haben müsse.

Meinungsunterschiede stehen bevor

Medgyessy weist aber auch auf bevorstehende Meinungsunterschiede hin, beginnt doch zum Jahresende die Diskussion der mittelfristigen EU-Finanzplanung für 2006 bis 2013. "Es ist evident, dass es auch Punkte gibt, wo wir uns unterscheiden: Österreich ist ein sehr reiches Land, Ungarn eher ein mittleres", so der Budapester Premier. Ungarn lege "Wert auf Solidarität" innerhalb der EU, damit die Beitrittsstaaten, "die der Union ja auch neuen Elan geben", wirtschaftlich zu den anderen aufschließen könnten, sagt Medgyessy und fügt hinzu: "Nettozahler wie Deutschland oder Österreich haben da vielleicht manchmal einen anderen Blickwinkel".

Guter Draht zwischen Medgyessy und Schüssel

Am mangelnden Draht zwischen Medgyessy und Kanzler Wolfgang Schüssel kann das nicht liegen: "Wir verstehen uns persönlich sehr gut, obwohl er aus einer anderen politischen Familie kommt", so der Sozialdemokrat über den Konservativen. So hält er auch das Beispiel des französischen Präsidenten Jacques Chirac, der am Freitag beim EU-Gipfel den deutschen Kanzler Gerhard Schröder vertrat, für nachahmenswert: "Das hat mir sehr gefallen". Die Sorge, dass die Chirac-Schröder-Vertretung den Grundstein für ein mächtiges Direktorium der Großen in der EU sein könnte, teilt der Premier nicht. Und auf die Frage, ob er Kanzler Schüssel an seiner Stelle sitzen ließe, antwortet Medgyessy: "Warum nicht - oder andersherum: Wenn Schüssel mich bittet, kann ich ihn repräsentieren".

Symbolwert der deutsch-französischen Vertretung

Der deutsch-französischen Vertretungspremiere kann der Premier allerdings noch viel mehr Symbolwert abgewinnen: "Das gibt ein gutes Beispiel für Nachbarländer, die eine gemeinsame Geschichte haben", so Medgyessy: "Das ist ein gutes Zeichen an Zentraleuropa, alle Mittel zu suchen, um der Öffentlichkeit und der Welt zu zeigen, dass es möglich ist, die Vergangenheit zu überwinden".

Im Konflikt um das Statusgesetz, das Auslandsungarn Vorteile gewährt, sei das im Verhältnis zu Rumänien bereits gelungen, so der Premier. "Mit der Slowakei schreiten die Verhandlungen voran", sagt er. (DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.10.2003)