Der Standard: Die alte deutsche Fassung Ihres "Oxford Weinlexikons" stammt aus 1994. Welche Kapitel der neuen deutschen Auflage machten die meiste Arbeit? Jancis Robinson: Der Abschnitt über die DNA-Forschungen wurde umfangreicher, dazu alle Eintragungen, die in diesen Bereich gehören. Viel Arbeit war der Komplex um Aromavorläufer, jene Substanzen, die u. a. den Sortengeschmack beeinflussen. Da hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Und sehr viel musste auch beim Thema Rotwein und Gesundheit gemacht werden. Und der "Degustationskurs"? Das ursprüngliche Buch aus dem Jahr 1983 wurde von Grund auf überarbeitet und erweitert und ist jetzt eine Art Anleitung zum Schmecken. Ich bin davon überzeugt, Wein zu verkosten ist die beste Art, an ihn heranzugehen. Ist es angesichts des Wein-Hypes noch immer notwendig, die Leute anzuleiten, sich auf ihren eigenen Geschmack zu verlassen? Es ist immer wieder wichtig, Menschen daran zu erinnern, wie Dinge riechen beispielsweise beim Essen, und auf die Zusammenhänge zwischen Duft und Geschmack hinzuweisen. Das ist auch die Aufgabe des Journalismus. Im "Degustationskurs" finden sich dazu verschiedene Übungen, manchmal recht einfache Dinge wie beispielsweise die Nase zuzuhalten, um zu merken, dass man ohne Geruch den Geschmack nicht mehr wirklich definieren kann.

Ich glaube auch, dass man vor allem Kinder mit Düften spielerisch herausfordern soll. Viele Erwachsene sind immer noch nicht selbstbewusst genug, sich auf ihr eigenes Urteil zu verlassen. Daher sollte man ihnen so viel Information wie möglich in die Hand geben, damit sie sich dann eine Meinung bilden. Dazu gehört auch zu erkennen, dass es beim Wein eigentlich kein Falsch oder Richtig gibt. Tatsache ist ebenfalls, dass einige Kollegen diesen Prozess nicht gerade fördern. Sie sagen, sie schreiben die Wahrheit über einen Wein - was stimmt, aber es ist ihre Wahrheit.

Sie haben im Herbst 2002 mit dem Journalisten Tim Atkins und dem Weinhändler Jan-Erik Paulson eine Verkostung Grüner Veltliner versus Chardonnay in London organisiert, deren Ergebnis Wein-Österreich in Entzücken versetzte, weil die Veltliner besser abschnitten als so mancher der hochwertigen Chardonnays. Gab es daraus auch langfristige Effekte?

Vor allem einmal, dass Grüner Veltliner ernst genommen wird. Das Ergebnis war vor allem deshalb so erstaunlich, weil viele konservative Gaumen am Werk waren. Ich muss gestehen, dass ich dem einen oder anderen Chardonnay den Vorzug gegeben hätte. Aber ich habe den Grünen Veltliner sehr zu schätzen gelernt, früher hab' ich immer Riesling verlangt.

Österreichischer Wein wird also wahrgenommen. Über welches Qualitätsniveau sprechen wir dabei?

Es sind definitiv die hohen Qualitäten wie Smaragd, natürlich einige Kracher-Weine. Österreichische Weine in einem preisgünstigeren Segment sind so gut wie nicht vorhanden.

Was ist mit österreichischen Rotweinen? Die haben ja einen Boom erlebt. Bis vor einiger Zeit hatte ich das Gefühl, dass tendenziell zu viel neues Barrique verwendet wurde. Und eine weitere Bordeaux-artige Cuvée mit Cabernet hätte sicher Probleme, sich zu etablieren angesichts der Konkurrenz. Aber die junge Generation hat schon einiges anzubieten. Sankt Laurent z. B. bringt sehr gute Weine. (DerStandard/rondo/Luzia Schrampf/17/10/03)