Es ist ein Eiertanz der Sonderklasse. "Tut mir Leid, das hab' ich glatt vergessen", sagt der Erste. "Nicht der Rede wert", der Zweite. "Da ist doch tatsächlich ein Portfolio, aber das ist so klein, dass es mich nicht einmal beim Bücken drückt", sagt der Dritte. "Nichts an inländischen Börsen", sagt schließlich der Vierte, der sonst ein großer Schweiger vor dem Herrn ist. Und im Ausland - ach das Ausland, was kann da schon sein, was kann man von dort schon erwarten. Sagt er nicht, aber wer will, kann es sich so dazureimen.

Möglicherweise hat sich Finanzminister Karl-Heinz Grasser ausgerechnet mit einer Aktion das anhaltende Wohlwollen der ÖVP verscherzt, für deren Peinlichkeit nicht er exklusiv, sondern fast alle Regierungsmitglieder anteilig zeichnungsberechtigt sind. Erst nachdem sich herausgestellt hatte, dass Grasser seinen Aktienbesitz dem Parlament nicht gemeldet hat, wurde ruchbar, dass alle bis auf vier eine Leermeldung abgegeben haben. Dass sie also den vor EU-Zeiten noch beliebteren Volkssport, auf die Frage "Was haben Sie zu verzollen?" automatisch "nichts" zu sagen, quasi auf eine höhere Ebene gehoben haben.

Doch im Gegensatz zu den ertappten Verkürzern staatlicher Steuereinnahmen durch mitgeführte Konterbande müssen unsere Regierungsaktionäre das Gesetz nicht fürchten. Wenn jemand von ihnen gegen die Meldepflicht verstößt, so ist dem Gesetzgeber die individuell darob empfundene Scham Strafe genug. Das macht ja parlamentarische Kontrollinstrumente wie den Unvereinbarkeitsausschuss - vor dem sich der schamgebeutelte Politiker bequem der Aussage entschlagen kann - so unvergleichlich österreichisch:

Gut, dass man sie hat, wenn man sie braucht, aber noch besser, dass man sie eigentlich gar nicht braucht, wenn man was hat. Deutlicher kann dem kleinlaut-bescheidenen Kontrollanspruch des Souveräns, oder wie die Politiker das Volk vor Wahlen auch immer huldvoll und herablassend zugleich bezeichnen, nicht das Götz-Zitat angetragen werden.

Seltsam auch, wie sehr sich einfache mit komplizierten Sachverhalten vermischen lassen, wenn es gerade opportun ist: So führte etwa Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat ihre Säumigkeit auf die "unklare Formulierung" zurück, die im Meldeformular des Unvereinbarkeitsausschusses verwendet worden sei. Die Frage, ob sie Anteilsrechte an einer Gesellschaft besitze, habe sie nicht auf ihren Aktienbesitz bezogen. Vermutlich gilt das auch für den Finanzminister und alle anderen: Bei so viel geballter Wirtschaftskompetenz darf man sich um den Standort Österreich getrost zu sorgen und vor der nächsten Steuerreform zu fürchten beginnen. Ob eine so gestellte Frage die intellektuelle Kapazität eines heimischen Politikers übersteigt, sei dahingestellt.

Jedenfalls schiene unter diesen Aspekten jeder Cent, den die Regierung in den letzten Jahren externen Beratern zukommen ließ, gut angelegt. Möchte man meinen - denn die letzte aller schlechten Ausreden, die uns in dieser Angelegenheit um die Ohren schwirren, ist zugleich die erheiterndste: Er sei leider schlecht beraten gewesen, seinen Aktienbesitz nicht zu melden, entschuldigte sich ausgerechnet der Finanzminister. Zu dumm, dass sich bei rund 25 Millionen Euro an Honoraren, die Fachleuten aus aller Herren Länder für ihre Ratschläge zur nachhaltigen Schröpfung der Steuerzahler angewiesen wurden, nicht einer gefunden hat, der dem Minister in dieser Angelegenheit behilflich gewesen wäre.

Es ist zu wahr, um schön zu sein, und das Beste zum Schluss: Jetzt sind alle auf den grünen Budgetsprecher Werner Kogler böse, weil der seine Funktion im Unvereinbarkeitsausschuss ernst genommen und kundgetan hat, dass die öffentlich getätigten Angaben der Betroffenen nicht mit den dem Parlament gegebenen übereinstimmen. Ein Vertrauensbruch sondergleichen, tobt die ÖVP. Stimmt, aber nur, wenn man politisch wie die Regierung nach dem Motto lebt: Kontrolle ist gut, aber Vertrauen ist besser. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.10.2003)