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Fritz "Buhmann" Neugebauer musste beim ÖGB-Bundeskongress gellende Pfiffe einstecken

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Der 15. ÖGB-Bundeskongress

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Wien - Noch bevor ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch überhaupt mit seiner Begrüßung beginnen konnte, wurde er mit Applaus überschüttet. Besonders aus der Mitte des Saales, da, wo die Eisenbahner saßen - die waren auch die Ersten, die aufgestanden sind, bald folgte der ganze Saal. Ein Zeichen, dass alle hinter ihrem Präsidenten stehen.

Solche Einigkeit beeindruckte auch Verzetnitsch - und er mahnte, dass diese Einigkeit auch in der politischen Haltung des Gewerkschaftsbundes zum Ausdruck kommen müsste: Immerhin seien in den letzten Jahren alle Beschlüsse einstimmig erfolgt, da solle sich im Nachhinein keiner absetzen. Und schon gar nicht sollten Gewerkschafter mitmachen, "wenn ganze Berufsgruppen" wie eben die Eisenbahner schlecht gemacht würden.

Der Präsident lobte die politischen Aktionen des Frühjahrs, feierte das Verfassungsgerichts-Erkenntnis zum Hauptverband der Sozialversicherungsträger als Sieg der Selbstverwaltung und warnte: "Wer die Gewerkschaften von der Demokratie ausschließt, darf sich nicht wundern, wenn an der Tür gerüttelt wird."

Dann begrüßte er die Prominenz, die vom Bundespräsidenten abwärts ziemlich vollständig ins Austria Center gekommen war. Als Verzetnitsch "mit Respekt" Bundeskanzler Wolfgang Schüssel grüßte, schrillte es vor Pfiffen und Buhrufen - da konnte Verzetnitsch gönnerhaft anmerken, dass Gewerkschafter doch Demokraten seien, die zuhören wollten; worauf sich der Lärm sofort legte.

Bei Schüssels Rede gab es kaum Applaus (und wenn, dann vor allem aus den Reihen des mehrheitliche "schwarzen" öffentlichen Dienstes). Dabei war der Bundeskanzler besonders bemüht, den Gewerkschaftern entgegenzukommen. "Wie weit sind wir denn auseinander?", fragte Schüssel und deutete an, dass es nicht viel sein könnte. Was sei etwa so unsozial daran, wenn die Verwaltung schlanker und die Vielfalt der Rechenzentren der Sozialpartner vereinheitlicht würde? Die Buhrufe blieben dennoch nicht aus. Verzetnitsch sah sich anschließend sogar veranlasst, die so genannte Bürokratie als Serviceleistung in Schutz zu nehmen.

Schüssel nannte die Zahl der Arbeitslosen "entsetzlich hoch" und hielt dennoch Kurs: "Es gibt unvermeidliche Veränderungen. Der Wind bläst uns eiskalt entgegen. Wir müssen mitgehen."

Er selber sei "für einen starken Staat", sagte Schüssel, schränkte aber sofort ein: Der Staat solle "dort stark sein, wo er stark sein muss", etwa bei der Sicherheit und bei der Infrastruktur. Aber das war den Eisenbahnern, die mit Pfeifen und Schildern "Österreich braucht die Bahn" gekommen waren, zu wenig Bekenntnis.

Viel freundlicher wurde Bundespräsident Thomas Klestil aufgenommen: "Die überparteiliche Gewerkschaftsbewegung war und ist immer ein staatstragendes Element der Zweiten Republik und ein unverzichtbarer Faktor im Zusammenleben."

Das kam gut an - und so konnte Klestil einen Bogen vom Motto des heurigen Kongresses ("Menschen sind unsere Stärke") zu dem vor vier Jahren ("Sicherheit in bewegten Zeiten") schlagen: "Viele fürchten, sich nicht mehr selbst helfen, geschweige denn in den Gang der Dinge irgendwie eingreifen zu können", Regierung und Parlament sollten daher entsprechende gesetzliche Maßnahmen schaffen. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 15.10.2003)