Wien - SP-Chef Alfred Gusenbauer hat Montag Nachmittag in seiner Rede anlässlich der FSG-Bundeskonferenz entgegen allen Usancen eine Attacke gegen die eigene Fraktion geritten. Er sei der Meinung, dass bei aller Kritik an der Regierung in den eigenen Reihen größere Disziplin "nötig ist". Offenbar gemünzt auf Kritik von GPA-Chef Hans Sallmutter an ihm meinte Gusenbauer, es solle niemand glauben, er habe im Umgang mit der Basis "die Weisheit mit dem Löffel gegessen". Gusenbauer hatte schon im Vorfeld bei der FSG für Unmut gesorgt, hatte der SP-Chef doch darauf bestanden, wenige Stunden vor seinem Auftritt bei der Gewerkschaft eine Pressekonferenz abzuhalten.

In seiner Rede warnte Gusenbauer die eigene Fraktion überdies kryptisch, dass niemand sagen solle, es sei das Parlament nicht mehr notwendig. Dies erinnere an vergangene Zeiten. Bezüglich der Aufhebung der Reform des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger durch den VfGH betonte Gusenbauer, dass man jetzt nicht in den Glauben verfallen solle, alle Probleme alleine lösen zu können.

Fraktionen wählen Chefs

Am Vortag des ÖGB-Bundeskongresses haben die Fraktionen am Montag ihre Chefs gewählt. Bei den Sozialdemokraten wurde Rudolf Nürnberg als Vorsitzender mit stattlichen 94,3 Prozent bestätigt. Die Christgewerkschafter werden künftig von ihrem bisherigen Bundessekretär Karl Klein geführt, der Beamten-Chef Fritz Neugebauer nach dessen Kür zum ÖAAB-Obmann abgelöst hat. Der GPA-Funktionär Klein erhielt in der FCG-Fraktion beachtliche 89,4 Prozent der Stimmen bei seiner erstmaligen Wahl als Vorsitzender.

Bei der FSG herrschte im Wesentlichen gute Stimmung - und das nicht nur, weil (mit Ausnahme von ÖGB-Frauenchefin Renate Csörgits) bei den Fraktionswahlen alle Funktionäre bessere Ergebnisse erzielten als bei der letzten Abstimmung von vier Jahren. Einig war man sich nämlich in fast allen Dingen. So herrschte geschlossen Freude über die Aufhebung der Reform des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger durch den Verfassungsgerichtshof und Verständnis für die Streiks bei ÖBB und AUA. Nürnberger forderte auch eindeutig "volle Solidarität und Unterstützung" für die Kollegen ein, die bei ihrem Arbeitskampf ja in Wahrheit für die Rechte aller Arbeitnehmer eintreten würden.

FCG-Chef Klein fordert "Rückbesinnung auf christlich-soziale Vergangenheit

Zumindest nach innen relativ friedlich ging es bei den Christgewerkschaftern zu. Nachdem der neue Chef Klein des Morgens im Radio noch Kanzler und VP-Chef Wolfgang Schüssel nahe gelegt hatte, sich seiner christlich-soziale Vergangenheit zu besinnen, schoss er sich bei der FCG-Bundeskonferenz dann auf die Sozialdemokraten ein. Die FSG habe versucht, den ÖGB als zweite Arbeitnehmer-Partei zu missbrauchen. Ein Vorwurf, der übrigens von ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch bei der FSG-Tagung in einem Kurzstatement zurückgewiesen wurde. Schließlich hätten die Christgewerkschafter alle Beschlüsse des ÖGB mitgetragen.

In seiner Abschiedsrede als FCG-Chef betonte Beamten-Chef Neugebauer, dass seine Fraktion "programmatischen Biss" zeigen müsse, wenn sie nicht ein "zahnloser Tiger" sein wolle. Klein meinte in seiner Antrittsrede, er sei kein Gegner von Kampfmaßnahmen, wenn es nicht anders geht. Man müsse damit aber sehr sorgsam umgehen: "Nicht auf jeden Klotz gehört der gleiche Keil". Diplomatisch zeigte sich bei seiner Rede Nationalratspräsident Andreas Khol. Er begrüßte zwar positive Kritik der Christgewerkschafter, gleichzeitig forderte Khol Klein jedoch auf, ebenso wie bisher Neugebauer Entscheidungen der ÖVP bzw. der Regierung mitzutragen.

Der offizielle Auftakt zum ÖGB-Kongress erfolgt morgen. Bei der Eröffnung werden sich unter anderem Bundespräsident Thomas Klestil, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) und Wiens Bürgermeister Michael Häupl (S) mit Reden einstellen. Die Wiederwahl von Verzetnitsch erfolgt erst zum Abschluss des Kongresses am Freitag. (APA)