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Quentin Tarantino, hier bei einer scherzhaften Attacke auf Uma Thurman: "Ich fand immer, dass Actionregisseure die ultimativen Filmregisseure sind. Eine schön gestaltete Actionsequenz ist das Beste, was das Kino zu bieten hat."

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Sein neuester Actionfilm "Kill Bill" hat für den amerikanischen Regisseur Quentin Tarantino auch mit der Frage zu tun, zu welchen Qualitätsstufen er fähig ist. In Berlin sprach Bert Rebhandl mit dem Regisseur und seinem Star Uma Thurman.

Berlin – "Wie gut bin ich?" Mit dieser Frage lief Quentin Tarantino in den letzten Jahren herum. Mit Reservoir Dogs und Pulp Fiction hatte er zwei prägende Werke des postmodernen Kinos geschaffen, mit der ernsthafteren Charakterstudie Jackie Brown hatte er sich als Kultregisseur selbst infrage gestellt und seine Gemeinde gespalten. Nun kehrt er nach sechs Jahren auf das angestammte Terrain zurück: "Kill Bill" Volume 1 ist in erster Linie ein Film über Filme.

Der Rachefeldzug einer Frau namens Blade (Uma Thurman) wird im ersten Teil nur in Ansätzen motiviert; stattdessen werden die Kampf- und Standardsituationen der zumeist fernöstlichen Genres variiert, um die es letztendlich geht. Tarantino globalisiert sein Schundfilmwissen und veredelt es in einer Stilübung voll halsbrecherischer Kulturschocks.

STANDARD: Ihre Arbeit mit Uma Thurman wird manchmal mit der Josef von Sternbergs verglichen, der aus Marlene Dietrich einen frühen Popstar machte.

Tarantino: Sie sehen Kill Bill wie einen Josef-von-Sternberg-Film? Ja, aber sicher – aber zusammen damit, dass er mein Old-School-Shaw-Brothers-Kung-Fu-Film ist und mein japanischer Pop-Samurai-Film und mein Spaghettiwestern und meine Form von Actionfilm.

STANDARD: Wie verläuft die biografische Herleitung?

Tarantino: Die Filme der Shaw Brothers, zweier Produzenten aus Hongkong, hatten 1973 die erste Explosion in Amerika. Eineinhalb Jahre lang waren sie Mainstream. Später haben die männlichen Afroamerikaner sie für sich reklamiert, sie haben dann also in den Getto-Kinos überlebt. Diese Explosion habe ich verpasst. 1973 wurde ich zu meiner Großmutter nach Tennessee geschickt, ich fühlte mich, als wäre ich nach Vietnam einberufen worden.
Ich erinnere mich aber nachdrücklich an die Fernsehspots, die für die Kung-Fu-Filme warben. Die Soundeffekte, das Krachen, das Fliegen, Springen, Schlagen, die Schwerter! Dazu kam meine Liebe zu den Comics – mit einem Wort: Das war genau, was ich suchte. Ich ging also in die Schulbibliothek, suchte in der lokalen Zeitung die Anzeigen für die Kung-Fu-Filme, und selbst die waren wie Filme: mit Slogans wie Queen of the Deep Thrust, Mistress of the Death Blow! Ich musste also lange darauf warten.

STANDARD: Ms Thurman, wie wurden Sie in dieses Geheimwissen eingeweiht?

Thurman: Ich bin nicht so ein "Grindhaus"-Experte wie Quentin. Aber er war häufig in New York, ich kam nach Los Angeles, und er hat mir eine Menge Filme gezeigt: die Eastwood-Trilogie von Sergio Leone, Coffy, Lady Snowblood, Jackie Chan, Bruce Lee. Es kamen einfach ständig neue Videokassetten.

STANDARD: Es heißt, Sie hätten zwei Monate nach der Geburt Ihres zweiten Kinds zu drehen begonnen.

Thurman: Das ist nicht wahr, das wäre unverantwortlich. Ich hatte meinen Sohn, dann drei Monate Erholung und dann drei Monate Training. Aber es ist wahr: Körperlich war das ein Killer! Auch ohne Baby wäre das ein Wahnsinn gewesen. Ich war auf jeden Fall mehr als strapaziert. Aber das Projekt war zehn Jahre lang in der Entwicklung, und als es endlich so weit war, war ich bereit, über meine Grenzen zu gehen. Alles an diesem Projekt folgt einer Logik des Überbietens.

Tarantino: Da gibt es definitiv den Aspekt, mich zu testen. Ich fand immer, das Actionregisseure die ultimativen Filmregisseure sind. Eine schön gestaltete Actionsequenz ist das Beste, was das Kino zu bieten hat. Der Walkürenritt in Apokalypse Now, der Restaurant-Shoot-out in In the Year of the Dragon, der Showdown in der Lagerhalle in 8 Million Ways to Die von Hal Ashby, das Ende von The Good, the Bad and the Ugly – das ist Kino. Ich wollte wissen: Kann ich das auch? Bin ich so gut, wie ich glaube? Das ist ein großer Ring, in den ich mich da begebe. Ich muss mit den Giganten kämpfen.

STANDARD: Ist das Ihre Antwort darauf, dass Sie nach dem Erfolg von "Pulp Fiction" unter sehr großem Druck standen, den Sie durch "Jackie Brown" eher noch gesteigert haben?

Tarantino: Exploitation – nein, Expectation, Freudscher Versprecher: Druck gehört einfach dazu. Das ist bei Francis Ford Coppola auf den Philippinen während der Dreharbeiten zu Apocalypse Now nicht anders als beim Regisseur der nächsten Folge von Kommissar Rex. Ich möchte, dass die Leute die Tage zählen bis zum Start meines Films. Das beschleunigt meinen Puls.

Wenn du zumindest fünf, oder sagen wir lieber: drei Regisseure hast, an deren Werk du so hängst, dass du in der Nacht vor einer Premiere davon träumst, dann ist es richtig. Mir ging es so mit Brian de Palma. Ich habe Scarface vorgeträumt, die Vorführung um zehn Uhr Vormittag gesehen (das ist wie Weihnachten!), am Nachmittag denke ich drüber nach, rufe meine Freunde an, und in der Mitternachtsshow bin ich wieder drin!

STANDARD: Ms Thurman, wann haben Sie mitbekommen, dass Sie eigentlich an zwei Filmen arbeiten?

Thurman: Die Entscheidung wurde an einem relativ späten Punkt getroffen. Während der Arbeit, als Quentin jedes Kapitel erforschte, wäre dieses Wissen wohl eine Hilfe gewesen. Wir haben 156 Tage gedreht! Aber es war wohl eine allmähliche Erkenntnis.

STANDARD: "Kill Bill" wird als "der vierte Film von Quentin Tarantino" angekündigt, wird aber von Ihrem Produzenten Harvey Weinstein von Miramax in zwei Teilen veröffentlicht. Wird "Volume 2" dann der "fünfte" oder der "viereinhalbte" Film von Ihnen?

Tarantino: Das spießt sich ein wenig, das gebe ich zu. Dieser Film ist eine Situation. Es wird verschiedene Versionen geben. Den ganzen Film irgendwann sicher auch. Geteilt in zwei, das ist eine andere Sache. Für asiatisches Publikum wird es eine andere Version geben, weil ich deren Bedürfnisse kenne und diese Leute mit Dingen umgehen könne, die ein westliches Publikum nicht schafft. Ich bin ein großer Fan der Samstagmorgen-Serials, wie sie William Witney gemacht hat.

Mit dem Kapitelformat von "Kill Bill"ist es ein wenig wie mit den Formaten vieler Exploitationfilme, von denen immer unterschiedliche Fassungen kursierten. Wenn Kill Bill schließlich auf DVD herauskommen wird, haben Sie den Rest Ihres Lebens, verstehen Sie mich: den REST IHRES LEBENS, alles zusammen zu sehen. Ein dreistündiger Exploitationfilm schmeckt nach Prätention, während das Kapitelformat nach Ambition aussieht.

Letzter Punkt: Ich bin ein Filmjunkie. Ich denke über Film wie über Drogen oder Sex. Ich kann "Kill Bill" auch in einem Stück sehen, aber wenn jemand nicht so drauf eingeschossen ist, könnte der Effekt einer Überdosis eintreten. Nicht bei mir! Aber bei Ihnen! (DER STANDARD, Printausgabe vom 13.10.2003)