Die Bahnstrecke ins Irgendwo: Die ÖBB werde durch die politisch motivierte Reform aufs Abstellgleis geschickt, monieren Kritiker

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Wien - Der ÖBB-Geschäftsbetrieb ist derzeit von zwei Dingen maßgeblich bestimmt: Dem bangen Warten auf die ersten Zugsausfälle und dem Studium des in Begutachtung ausgeschickten Gesetzentwurfs zur Bahnreform. Während der seit Montag laufende Überstundenboykott noch keine sicht- und spürbaren Nachteile verursacht hat (solche werden von der Unternehmensleitung erst in einer Woche erwartet), sorgt das Bahnreformgesetz bereits für gehörig Verstimmung.

Denn die vom ÖBB-Vorstand einberufene Taskforce spürt dem Vernehmen nach immer neue Stolpersteine auf. Die von ÖBB-Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka als große Einsparungshilfe verkaufte Personalmanagementgesellschaft (PMG) etwa, in die die 12.000 überzähligen Eisenbahner ausgelagert werden sollen, sei in Wahrheit überflüssig, heißt es im Verkehrsministerium nach einer Sitzung mit dem Bahnvorstand am Donnerstagabend. Sie schaffe nicht nur ein komplexes, kaum beherrschbares Gebilde, sondern vernichte de facto Arbeitskraft und zwar bei explodierenden Kosten.

Republik will nicht quasi-beamteten ÖBB-ler bezahlen

Anders als in Deutschland ist die Republik Österreich nämlich nicht bereit, für die nicht mehr benötigten, quasi-beamteten ÖBB-Mitarbeiter zu bezahlen. Muss die ÖBB 12.000 Leute nun in die PMG verschieben, trägt sie die Kosten, bekommt aber keine Arbeitsleistung. Dass die PMG realisiert wird, gilt daher als unwahrscheinlich.

Mehrkosten von 1,5 bis zwei Prozent verursacht auch das neue Lohnschema, so es in die vorgesehene Form geändert wird. Bei einem jährlichen Mehraufwand von 30 bis 40 Millionen Euro dürfte es in den nächsten fünf Jahren also schwierig sein, die von der Politik gewünschten 300 Mio. Euro einzusparen. "Das Höchste der Gefühle ist Kostenneutralität", sagt ein Bahnmanager, der nicht genannt werden will, zum STANDARD.

Bleibt noch der größte Brocken, die angestrebte Teilung der Bahninfrastruktur in Bau-und Betriebsgesellschaft. Sie mache die Bahn de facto zu einem "Baukonzern mit angeschlossenem Eisenbahnbetrieb", ätzt man in der Bahn. Denn dann bestimme die aufgewertete Hochleistungsstrecken-AG nicht nur, wo Tunnels oder Strecken (aus)gebaut werden, sondern auch, wo Stellwerke modernisiert werden. Übrigens: Baustellen gefährden die Pünktlichkeit und könnten Regressansprüche der Güterverkehrskunden verursachen. Dafür zahlt die Infrastruktur 350 Mio. Euro Jahrespacht.(Luise Ungerboeck, Der Standard, Printausgabe, 11.10.2003)