Mainz - Der britische Physiker Stephen Hawking ist das prominenteste Opfer, in Deutschland machten vor allem die Fälle des Künstlers Jörg Immendorff und des Wolfsburger Fußballprofis Krzysztof Nowak Schlagzeilen: Alle drei gehören zu den weltweit 150.000 Menschen, die an der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) leiden.

Die unheilbare Erkrankung des Nervensystems, die auch "Lou-Gehrig-Syndrom" genannt wird, ist seit rund 100 Jahren bekannt und gibt doch noch immer viele Rätsel auf. Ein deutscher Wissenschafter hat nun Mechanismen in der Entstehung der Krankheit entdeckt, die Hoffnung auf eine neue Therapie machen.

Erste Symptome

Bei den Patienten werden jene Nervenzellen im Rückenmark zerstört, die für die Steuerung der Muskulatur zuständig sind. Die ersten Symptome zeigen sich meist an Händen und Armen: Schwere Gegenstände können nicht mehr hochgehoben oder gehalten werden. Nach und nach greift die Krankheit dann auf andere Körperbereiche über. Immer mehr der als Motorneuronen bezeichneten Nervenzellen sterben ab, die Muskulatur schrumpft zusehends. Im späten Stadium zwingt die fortschreitende Lähmung die Patienten in den Rollstuhl, auch Sprechen und Schlucken fallen immer schwerer.

Die Nervenzellen des Gehirns bleiben dagegen verschont, die meisten Betroffenen durchleben die unheilbare Krankheit bei vollem Verstand. In der Regel drei bis fünf Jahre nach der Diagnose endet das Leiden mit dem oftmals qualvollen Tod der Patienten als Folge einer Atemlähmung oder auch einer Lungenentzündung. In einigen wenigen Fällen - wie etwa bei Hawking - leben die Kranken länger als ein Jahrzehnt.

Rätseln über Ursache

Über die Ursache des nach einem 1941 verstorbenen US-Baseballspieler benannten Lou-Gehrig-Syndroms, das meist zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr erstmals auftritt, rätseln die Wissenschafter bis heute. Virusinfektionen stehen ebenso in Verdacht wie genetische Defekte. Für Aufsehen sorgten zuletzt Berichte über eine auffällige Häufung von ALS-Fällen bei Profifußballern. In Italien starben - wie berichtet - bereits 14 ehemalige Spieler an der Nervenkrankheit. Die Staatsanwaltschaft ermittelt und schließt auch Doping als mögliche Ursache nicht aus.

Die beste Grundlage zur Untersuchung der Krankheit bieten jene seltenen Fälle, in denen die Lateralsklerose vererbt wird. Bereits seit längerem ist bekannt, dass Veränderungen in dem Enzym SOD1, das in allen Körperzellen vorkommt, das Syndrom auslösen können. Der deutsche Wissenschafter Albrecht Clement konnte in Zusammenarbeit mit Medizinern aus den USA und Kanada nun erstmals zeigen, dass trotz der SOD1-Mutationen die Motorneuronen nicht in jedem Fall sterben müssen: Die Nervenzellen können offenbar überleben, wenn sie von gesunden anderen Körperzellen umgeben sind, wie die im renommierten Fachmagazin "Science" veröffentlichte Studie der amerikanischen Universität San Diego ergab.

Hoffnung auf Verlangsamung der Erkrankung

Clement, der mittlerweile am Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie der Universität Mainz arbeitet, will jetzt versuchen, diese schützenden Zellen zu identifizieren und jene Faktoren herauszufiltern, die für den positiven Effekt verantwortlich sind. Sollte das gelingen, könnten die Schutzzellen mit Hilfe einer Stammzelltherapie in das Rückenmark der ALS-Kranken eingeschleust werden. Auf diese Weise, so hofft der Wissenschafter, lässt sich das Absterben der Motorneuronen verlangsamen. (APA/AP)