Entgegen der vielerorts kursierenden Meinung, die Gründe der Genitalverstümmelung würden im Religiösen liegen, sind sich die ForscherInnen einig, dass diese Praxis von keiner Weltreligion vorgeschrieben wird. Vielmehr bedienten sich Traditionisten der Religion, um ihr Handeln zu legitimieren.

Der Ursprung der Verstümmelungspraxis lässt sich nicht genau nachweisen. Er wird in der Antike bei vorislamischen und vorchristlichen Traditionen vermutet. Es wird angenommen, dass das Ritual in Afrika erfunden worden ist, von arabischen Eroberern und später von islamischen Gruppen übernommen worden sei. Hier gehen jedoch die Theorien auseinander.

Elizabeth Gould Davis berichtet von einer islamischen Legende, nach der Hagar, Abrahams Geliebte und Ismaels Mutter, das erste Opfer der weiblichen Beschneidung war. "Möglicherweise", schreibt Gould Davis, "war das eine semitische Neuerung, da die Araber ihre begeisterten Anhänger wurden und noch sind. 'sohn einer unbeschnittenen Mutter' ist das schlimmste Schimpfwort, mit dem ein Araber einen anderen belegen kann".

Strabo schreibt in seiner "Geographie", dass das pharaonische Ägypten bereits durch klitorale Ausschneidung (Abschneiden von Klitoris und Schamlippen) gekennzeichnet war. Die Untersuchung weiblicher königlicher Mumien hätte ergeben, dass diese Frauen der höchsten Kaste Ägyptens "ausgeschnitten" waren. Huelsmann merkte an, dass im Alten Ägypten die Operation an den weiblichen Genitalien im Alter zwischen vierzehn und fünfzehn ausgeführt wurde und "wahrscheinlich sogar die amourösen Abenteuer der Cleopatra SANS Klitoris" stattgefunden hätten. Diese Meinung vertritt auch Shandall: Diese Art der Verstümmelung sei in Ägypten auf weibliche Angehörige von Herrschern und Priestern beschränkt gewesen. Er vermutet, dass diese Frauen keine Erbschaften antreten durften, wenn sie nicht beschnitten waren.

Nachdem eine große Zahl pharaonisch beschnittener Mumien gefunden worden ist, nimmt die Forscherin Mary Daly an, dass erstens nur die privilegierten Klassen mumifiziert wurden und es so aussieht, als diese Praxis zum weiblichen Leben in königlichen Kreisen gehört hat. Zweitens geht sie daraus folgend von einem "Prinzip des Ausufern" aus, d.h. von der Verbreitung des Rituals von einer Elite zu den aufstrebenden unteren Schichten. Daly fasst in ihrem Buch "Gyn/Ökologie" zusammen: "Die Verbreitung dieses Greuels wurde entschuldigt, legitimiert und gefordert von jener Weltreligion, die da Patriarchat heißt. Obgleich Sekten wie der Islam und das Christentum es nicht erfunden haben, taten sie nichts Wirkungsvolles , um dem ein Ende zu setzen". (dabu)