"Die Jugend hat kein Ideal, kan Sinn für wahre Werte, den jungen Leuten geht’s zu gut, sie kennen keine Härte", diagnostizierte Wolfgang Ambros schon im Jahr 1975 in seinem Lied "Zwickt’s mi" ironisch. Ein Erklärungsansatz, der mancherorts in Zeiten steigender Jugendkriminalität wohl wieder gerne gehört wird.

Die Statistiken der Polizei sind teils tatsächlich alarmierend: 44 Prozent mehr verdächtige Zehn- bis 14-Jährige bei Eigentumsdelikten zwischen 2001 und 2002 beispielsweise. In absoluten Zahlen sieht die Sache zwar positiver aus: Mit insgesamt 26.071 Tatverdächtigen unter 18 Jahren gab es sogar einen leichten Rückgang. Jene, die erwischt wurden, hatten dafür allerdings mehr auf dem Kerbholz.

Ob für die Entwicklung aber wirklich der "Werteverlust" verantwortlich ist, darf bezweifelt werden. Empirisch viel besser belegt ist der Zusammenhang zwischen Einkommen und Kriminalität. Je höher die Vermögensunterschiede innerhalb einer Gesellschaft sind, desto höher ist für manche auch die Versuchung, sich einen Teil vom Kuchen auf illegalem Weg zu sichern, wurde in Studien nachgewiesen.

Will die Politik für weniger straffällige Kinder und Teenager sorgen, ist sie gut beraten, für eine Verringerung der Einkommensschere zu sorgen. Eine direkte Verbindung zwischen Arbeitslosigkeit und krimineller Energie herzustellen ist sicher zu simpel. Andererseits, gänzlich ohne Bedeutung ist der Arbeitsmarkt nicht: Im September gab es im Vergleich zum Vorjahr um fast zehn Prozent mehr vorgemerkte Arbeitslose, die jünger als 19 Jahre waren. Diese jungen Leute kennen die Härte (des Lebens) sehr wohl - die Gefahr ist, dass sie sie auch andere Menschen via Raub oder Vandalismus spüren lassen. (DER STANDARD, Printaugsbe, 10.10.2003)