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Burma verzeichnet touristische Zuwachsraten wie kein anderes Land. Menschenrechtsorganisationen fordern einen Boykott der Militärdiktatur über dessen Sinnhaftigkeit aber Zweifel bestehen.


Christian Baumgartner ist Geschäftsführer des Instituts für Integrativen Tourismus und Freizeitforschung, das eine Studie mit Argumenten gegen und für einen Tourismus nach Burma / Myanmar verfasst hat.

DER STANDARD: Sie haben im März dieses Jahres eine ausführliche Studie zu Burma verfasst. Warum?

Christian Baumgartner: Die Lauda Air fliegt als derzeit einzige europäische Fluglinie seit November 2002 Rangun direkt an. Seitens internationaler NGOs gab es daraufhin einen Boykottaufruf. Wir wurden von verschiedenen Organisationen aufgefordert, uns dazu zu verhalten.

DER STANDARD: Mit welchen Fragen haben Sie sich beschäftigt?

Christian Baumgartner: Wir versuchten zu klären, wer heute vom Tourismus in Burma profitiert bzw. stellen die Frage, ob es Potenziale gibt, dass die Bevölkerung und nicht nur das Militär am Tourismus verdienen. Weiters wollten wir untersuchen, ob eine Boykottkampagne überhaupt sinnvoll ist.
<>DER STANDARD: Und - soll man Burma als Urlaubsdestination meiden?

Christian Baumgartner: Das Ergebnis unserer Recherche vor Ort, in der aktuellen politischen Literatur und in vielen Einzelgesprächen ist, dass der Boykott höchstwahrscheinlich keine positive Auswirkung auf die Bevölkerung hat.

DER STANDARD: Warum das?

Christian Baumgartner: Einerseits, weil der Tourismus überhaupt einen geringen Stellenwert für die Wirtschaft des Landes hat. Das große Geld wird in Burma mit Jade, Teakholz, Shrimps und Drogenhandel gemacht. Mit einem Tourismusboykott trifft man also keinen wirtschaftlichen Lebensnerv des Landes. Dazu kommt, dass mit einem Boykott seitens der USA und Europas eine politische Annäherung Burmas an China bewirkt wird - und das kann man mit einer demokratiepolitischen Intention ja nicht wirklich wollen.

DER STANDARD:Kann man heute also guten Gewissens in die Militärdiktatur Burma reisen?

Christian Baumgartner: Unser Fazit ist, dass der Tourismus in Burma positive Potenziale für die Bevölkerung hat. Tourismus schafft Arbeitsplätze, und das vermehrt nicht mehr in den staatlichen Tourismusbetrieben sondern in privaten Joint-Ventures. Dazu kommen Sekundäreffekte im Kleingewerbe: Palmbauern verkaufen beispielsweise Souvenirs an Reisende.

DER STANDARD: Gibt es in Hinblick auf die Bevölkerung neben wirtschaftlichen Argumenten auch politische?

Christian Baumgartner: Ja, den Zugang zu Bildung und Information. Im Tourismus Beschäftigte bekommen eine Englischausbildung und haben z.B. in Hotels meist einen Internetzugang, der sonst rund ein halbes Jahreseinkommen kostet. Touristen lassen in Hotellobbys zuweilen Zeitschriften liegen, und auch das direkte Gespräch mit Gästen, so eingeschränkt es auch ist, ist ein Zugang zu Information.

DER STANDARD: Die Steigerungsrate im Tourismus in Burma beträgt von 2001 auf 2002 zwischen 99 und 120 Prozent. Wie erklären Sie diesen gewaltigen Boom?

Christian Baumgartner: Einerseits hat die Militärdiktatur das Land seit 1996 sukzessive für den Fremdenverkehr geöffnet, andererseits können Reiseveranstalter das Land ideal vermarkten: Es bietet Kulturschätze und es gibt viel weniger Rummel als zum Beispiel in Thailand. Auch bereits erfahrenen Asienreisenden kann Burma als bisher "weißer Fleck" auf der Landkarte verkauft werden.

DER STANDARD: Was bleibt also übrig von den Vorbehalten der NGOs?

Christian Baumgartner: Der Vorwurf, dass die Tourismusindustrie die politischen Hintergründe ausblendet und eine Kulisse verkauft: Kindersoldaten, gezielte Massenvergewaltigungen und Zwangsarbeit werden ausgeblendet. Unser Appell an die Reiseveranstalter ist also, die Kunden als mündige Reisende zu verstehen, denen man solche Hintergründe zumuten kann. (Tanja Paar/Der Standard/rondo/10/10/2003)