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Wien - Der Tag für psychische Gesundheit stellt am Freitag (10. Oktober) 450 Millionen Betroffene und ihre Angehörigen weltweit in den Mittelpunkt. Seelische Störungen sind "keine Erkrankungen, für die man sich schämen muss", betonte dazu der Chefarzt der Wiener Psychosozialen Dienste (PSD), Dr. Stephan Rudas, im APA-Gespräch. Genauso falsch wie Vorurteile sei die Annahme, dass sie nicht behandelbar sind. "Mal ist Besserung, mal ist Heilung möglich. Je früher die Behandlung beginnt, desto größer sind die Erfolgsaussichten", sagte Rudas.

Ohne Röntgenbilder ...

"Nur weil wir keine Röntgenbilder von erkrankten Seelen und keine Laborbefunde vorlegen könne, heißt das nicht, dass es keine seelischen Erkrankungen gibt", betonte der Psychiater und Psychoanalytiker. Im Gegensatz zu einer ausgerenkten Schulter oder einem entzündeten Knie werde "das unsichtbare Organ Psyche oft nicht gehört, wenn es sich zu Wort meldet". Dabei finden sich auf der Liste der zehn häufigsten Ursachen für Behinderungen - die zu Dauerruheständen führen können - bereits vier psychische Erkrankungen wie Depression, Alkoholabhängigkeit und Schizophrenie. "In zehn bis 15 Jahren werden psychische Erkrankungen die dritthäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit sein", so Rudas.

350.000 Alkoholiker in Österreich

Viele sind betroffen: In Österreich gibt es dem Arzt zufolge beispielsweise 350.000 Alkoholabhängige. Durch die Zunahme immer älterer Menschen steige die Zahl der Demenzkranken. "Immer mehr erreichen das Risikoalter", so Rudas. Derzeit lebten in Österreich etwa 100.000 Demenz-Kranke, 20.000 davon in Wien.

"Eine weitere falsche Annahme ist die Meinung: 'Psychische Erkrankungen treffen immer nur die anderen'", sagte der Mediziner. Jeder vierte Mensch sei zumindest ein Mal in seinem Leben ernsthaft psychisch krank. Damit gehören seelische Leiden zu den häufigsten Krankheitsbildern. Da die meisten Familien aus vier Mitgliedern bestehen, sei es sehr wahrscheinlich, dass man entweder selbst oder ein naher Angehöriger einmal betroffen sei, so Rudas.

Psychiatrische Inanspruchnahme selbstverständlich

Hilfe ist möglich. In den vergangenen zehn Jahren seien sehr gute Methoden entwickelt worden, die auf alle drei Ursachen für psychische Erkrankungen - biologische, psychologische und soziale - eingehen. Es gäbe gute Fortschritte, sowohl was Medikamente als auch was psychotherapeutische Aspekte und die soziale Integration betreffe", betonte Rudas. Der Appell des Mediziners anlässlich des Welttages für psychische Gesundheit: "Die Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfe muss selbstverständlich werden!"

Der Welttag für psychische Gesundheit wird seit 1992 jährlich auf Initiative der Weltgesundheitsorganisation WHO begangen. (APA)