Vom aufmerksamen Zuhörer zum neuen Gestalter im Ölland: Haidar Aliev (rechts) räumte das Feld für Sohn Ilham.

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Baku - Den Lobhudeleien der Fernsehsender, die alle Haidar Aliev in den Himmel über Aserbaidschan heben, glaubten die Diplomaten in Baku zuletzt ebenso wenig wie den wüsten Spekulationen der Oppositionsblätter, die den 80- jährigen Staatschef längst für tot erklärten. "Wir halten uns an das, was auf den Plakaten steht", hieß es.

Und tatsächlich hat sich Alievs Sohn Ilham auf den jede Nacht neu geklebten Plakaten in der Hauptstadt für die Präsidentschaftswahlen am 15. Oktober langsam nach vorne geschoben, vom nachdenklichen Zuhörer seines Vaters zum Premier, der er seit zwei Monaten ohnehin schon ist und der mit ausgestrecktem Arm den acht Millionen Aserbaidschanern den Weg in eine sonnige Zukunft weist. "Sabaha inamla ve Ilhamla", reimen die Wahlplakate - "Morgen vertrauen wir Ilham".

Die umsichtige Choreografie war nötig, weil Ilham Aliev bei weitem nicht die Popularität seines Vaters genießt und die Erbfolge in der Kaukasusrepublik mit den größten Erdölressourcen zumindest eine Art politische Legitimation erhalten soll, noch bevor die Wähler nächste Woche ihr Kreuz auf dem Stimmzettel setzen.

Bis vor wenigen Tagen noch haben Staatsfunktionäre beflissen das Gerücht von der nahenden Rückkehr des alten Staatschefs aus den USA verbreitet, wo Haidar Aliev, ein früherer KGB-Lehrling unter Berija, Parteichef der Sowjetrepublik Aserbaidschan und Staatspräsident seit 1993, behandelt wird. Seit seinem Zusammenbruch im Juli hat allerdings niemand mehr den Staatschef gesehen oder gehört. Dennoch stand sein Name auf der Kandidatenliste - zusammen mit dem seines Sohnes Ilham. Eine absurde Situation, die für das Regime nicht länger haltbar war. Vergangene Woche zog Haidar Aliev seine Bewerbung zurück und überließ dem 41-jährigen Sohn das Feld - "meinem politischen Nachfolger", wie es in einer im Staatsfernsehen verlesenen Erklärung hieß, die der unsichtbare Präsident verfasst haben will.

"Unsere Regierung wird die Wahlen wieder fälschen", versichert Isa Gambar, der Oppositionsführer, der in seinem dunkel getäfelten Büro in Baku thront wie ein König im Exil - doch gewinnen werde sie in Wirklichkeit er, Gambar. Da hat der autoritär auftretende Chef der rechtsnationalen Musavat-Partei keinen Zweifel. Haidar Aliev habe die Korruption im Land erst geschaffen und die Wirtschaft monopolisiert. Alle großen Unternehmen arbeiteten nur für die Aliev-Familie, behauptet Gambar, und zwei Millionen Aserbaidschaner hätten das Land verlassen, weil sie keine Arbeit fänden.

Alte Hypothek

Nun haben aber auch die Opposition und Isa Gambar ihre Vorgeschichte. 1992 war er an der Regierung der gerade unabhängig gewordenen Sowjetrepublik beteiligt, fuhr zusammen mit seinen Volksfrontkoalitionären die Wirtschaft an die Wand und musste vor allem eine militärische Niederlage gegen Armenien einstecken, das seither ein Fünftel des aserbaidschanischen Staatsgebietes besetzt hält. "Das eine Jahr unserer Regierung hat mehr für Aserbaidschan und sein Volk gebracht als die zehn Jahre Alievs", sagt der Musavat- Chef ungerührt.

Wäre nicht diese alte Hypothek der Opposition, der Übergang zur "Erbmonarchie" im politisch stabilsten und wirtschaftlich aussichtsreichsten Land des Kaukasus würde wohl weniger glatt vor sich gehen. Warum auch, so fragen westliche Diplomaten in Baku, sollten die Aserbaidschaner nun für einen Wechsel stimmen? Doch keine Frage über Macht und Politik ist unschuldig in einem Land mit gesicherten Ölvorkommen von jährlich 60 Mio. Tonnen in den nächsten 70 Jahren. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.10.2003)