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Konsumenten haften nur mehr dann für die abgehobene Summe, wenn sie den Code "sorgfaltswidrig zugänglich gemacht haben

Foto: APA/ JAEGER ROBERT

Wien - Sie ist knapp 46 Quadratzentimeter groß, steckt rund 5,5 Millionen Mal in heimischen Brieftaschen und erfreut sich bei Verbrechern steigender Beliebtheit: die Bankomatkarte. Immer öfter gelingt es Tätern, nicht nur die Plastikstücke, sondern auch den Code zu ergattern.

Beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) registriert man einen rasanten Anstieg. "Im Jahr 2001 hatten wir zwei derartige Anfragen, 2002 waren es 57 Fälle und bis Ende September halten wir heuer schon bei über 100 Betroffenen", schildert Thomas Hirmke vom VKI.

Die "klassische" Schadenssumme sind 3400 Euro, jener Betrag, der im Foyer (bis 3000 Euro) und an einem Bankomat pro Kalendertag abgehoben werden kann. Aber auch ein doppelt so hoher Verlust ist gar nicht so selten und tritt dann ein, wenn der Täter kurz nach Mitternacht ein weiteres Mal Karte und Code benutzt.

Meist zieren sich die Banken

Meist zieren sich die Banken und wollen den Schaden komplett auf den Kunden abwälzen, berichtet Hirmke. Interveniert der VKI, finden sich fast immer Lösungen, bei denen der Konsument nur 50 Prozent zahlen muss. Gute Chancen hat man, wenn das Behebungslimit in den Foyers von der Bank einseitig erhöht und der Kunde nicht über das gestiegene Risiko informiert worden ist.

Neue Geschäftsbedingungen

Seit September gelten auch neue Geschäftsbedingungen, die das Kundenrisiko senken sollen. Die Konsumenten haften nur mehr dann für die vor der Kartensperre abgehobenen Summe, wenn sie den Code "sorgfaltswidrig zugänglich gemacht haben". Also dann, wenn der Code notiert oder weitergegeben worden ist. Ob mangelhafte Abdeckung des Tastaturfeldes am Bankomat sorgfaltswidrig ist, ist noch nicht ausjudiziert.

Sperre funktioniert zu langsam

Neu ist auch die Zeit, die zwischen Anruf und Sperre der Karte vergeht: Sie wurde von vier auf zwei Stunden reduziert. Für den VKI zu lange. Bei Europay Austria, wo die Anrufe entgegengenommen werden, bedauert man: Technisch sei es nicht schneller möglich.

"Es gibt nicht ein Bankomatnetz, sondern verschiedene Systeme. Da kann es bis zu zwei Stunden dauern", meint Ewald Judt, Europay-Geschäftsführer. Nicht alle der rund 180.000 jährlichen Sperren haben kriminellen Hintergrund: "Wenn man die Karte verlegt, wird gesperrt."

Code ausspionieren

Verbrecher werden aber immer einfallsreicher, wenn es darum geht, den Code auszuspionieren, bestätigt Ernst Geiger, Leiter der Wiener Kriminaldirektion 1. "In den Bankfoyers operieren Täter mit zuvor gestohlenen Karten derselben Bank. Steht der Kunde vor dem Automaten, wird er nach der Behebung abgelenkt und seine Karte ausgetauscht", skizziert Geiger. Das Opfer merkt oft erst Tage später, dass die Karte nicht die eigene ist.

Ein andere Trick ist die Manipulation des Bankomaten. Auch die Spiegel über Supermarktkassen werden genutzt, um an den Code zu kommen. Am Westbahnhof, wo die Terminals vom ersten Stock aus einsehbar sind, spähen Täter von oben. (siehe Artikel "Dem Opfer auf die Finger geschaut")

Problematik des Westbahnhofes

Bei den ÖBB kennt man die spezielle Problematik des Westbahnhofes. "Vor einigen Monaten hatten wir einen starken Anstieg der Diebstähle, auch von Bankomatkarten", gesteht Gerhard Schiffauer von der ÖBB-Stabsstelle "Öffentliche Sicherheit" ein. Man habe jedoch bereits reagiert und vor vier Monaten ein Absperrband aufgestellt, um den Zugang zu der Balustrade im ersten Stock zu verhindern. Auch die Streifentätigkeit sei verstärkt worden. Seit damals sei die Zahl der Verbrechen deutlich gesunken. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe 6.10.2003)