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Sich selbst spielt man verkleidet immer noch am allerbesten: Musiker des Klangforum Wien bei der Uraufführung des "Theaters der Wiederholungen".

Foto: APA/ Andreas Wind
Das orchestrale Maschinentheater Uraufführung von Bernhard Langs "Theater der Wiederholungen" beim steirischen herbst in der Helmut-List-Halle: In einem Kosmos der dynamischen musikalischen Repetition werden die Musiker zu Darstellern ihrer selbst.


Graz - Das Klangforum Wien, es verbirgt sich diesmal unter blonden Perücken. Allerdings, um ein Versteckspiel durch Uniformierung (auch durch rosa Hemden und braune Krawatten) geht es nicht, eher um das Gegenteil: ein orchestrales Theater nämlich, in dem die Musiker beim Umsetzen jener von Bernhard Lang geflochtenen Notennetze gleichsam sich selbst als Klangerwecker spielen sollen. Doch warum und wie soll man etwas darstellen, was man ohnedies ist?

Die Idee von Regisseur und Choreograf Xavier Le Roy: Da die Musik bei Langs Theater der Wiederholungen die Technik der Repetition bevorzugt, hat Roy auch die Musiker in ein Korsett der Wiederholungen gepresst und jene mimisch-gestischen Nebensächlichkeiten und Selbstverständlichkeiten eines Konzertes durch bewusste häufige Wiederkehr (im Rhythmus der Musik) in den Rang einer theatralischen Besonderheit zu erheben versucht.

Statt die Texte (Marquis de Sade, Nürnberger Prozesse, William Burroughs und Texte aus Konzentrationslagern) szenisch zu deuten und gestenreich zu interpretieren, hat er sich denn auch entschlossen, Langs textlich-musikalisches Ideenmaterial gleichsam für sich selbst sprechen zu lassen, die Musik durch Äußerlichkeiten optische Gestalt annehmen zu lassen und sie nur zu verdoppeln.

Die Musiker mit ihrer Mimik und Gestik mutieren zu Darstellern, zu jenen Maschinen, die vom Duktus der Klänge gelenkt werden. Insofern ist Lang als Komponist hier eine Art Mit-Maschinenregisseur: aufstehen und setzen; Brillen richten, die Haare aus dem Gesicht fuchteln, sich umdrehen und immer wieder aufzeigen; kommen und gehen.

Unter dieser Schicht der humorig-skurril wirkenden Eckigkeit, bei der es mitunter ganz finster wird und die Musik dann sich selbst gehört oder bei welcher der Dirigent (von stoischer Qualität: Johannes Kalitzke) gedoubelt wird, geht es textlich allerdings um wenig Erheiterndes - um Varianten der Gewalt nämlich.

Der private Kosmos des Marquis de Sade wird im ersten Teil erweckt, Westernhaftes nach William Burroughs lebt im zweiten Teil auf. Und schließlich thematisiert Lang den Holocaust und ein Ende in der Gaskammer.

Zweifellos wäre man bei einer szenischen Interpretation gerade des finalen Teiles im Bereich der heiklen Darstellung des kaum Fasslichen und auch kaum bebilderbaren Grauens angelangt. Sich von vornherein eines Lösungsversuches zu entschlagen hat jedoch etwas von präventiver Resignation. Man hätte etwas versuchen sollen.

So wandelt man einen Uraufführungsabend lang in der Helmut-List-Halle beim steirischen herbst entlang der Grenze zu einer semikonzertanten Erweckung einer Neuheit. Und wird durch das Orchestertheater von den Inhalten mitunter eher abgelenkt als zu ihnen hingeführt. Die Musik, die gebildet-eklektisch daherkommt, hat zweifellos ihre Meriten. Ob nun Rockiges, Freejazziges, Klassisch-Modernes oder stilisiert Sakrales - Lang setzt auf ein Stop-and-go-Spiel, bei dem Perioden in der Regel viermal wiederholt und Texte durch Aufsplitterung zuweilen ihrer semantischen Dimension beraubt werden.

Käfig der Ideen

Man könnte sagen, die Musik stottert absichtlich, erinnert an die gute alte Schallplattenepoche, als es da und dort vorkam, dass die Nadel des Spielgeräts auf der zerkratzten Platte stecken blieb. Dieses Komponierprinzip hat seinen Grenzen, wirkt mitunter wie ein Käfig voll guter Ideen. Der Vorteil: Lang erreicht durch die Wiederholung ein eigentümliches Anhalten der Zeit, weshalb für den Betrachter Musik zu etwas Skulpturalem gerät.

Zeit zum Ausruhen bleibt dennoch wenig. Die Musik bohrt sich unbequem durch ständiges Insistieren ins Ohr und erzeugt eine Dringlichkeit und Gespanntheit, die zwar nicht ohne Abfall von Spannung durchgehen wird - jede Methode hat ihren Preis. Aber in guten Momenten wird zweifellos deutlich, dass hier Inspiriertes durchaus reichlich vorhanden war und das vokal-instrumentale Maschinenensemble raffiniert Instrumentiertes gediegen umzusetzen vermochte. (DER STANDARD, Printausgabe vom 6.10.2003)