Straßenbau-Landesräte freuen sich, wenn sie neu- oder ausgebaute Asphaltbänder eröffnen können, die Autoindustrie präsentiert jährlich neue technische Finessen, die die Verkehrssicherheit ihrer Fahrzeuge erhöhen. In den vergangenen Jahren scheint die Kombination von besseren Straßen und sichereren Autos auch tatsächlich gewirkt zu haben: die Zahl der Toten sank trotz steigenden Verkehrs. Das heurige erste Halbjahr bringt eine Ernüchterung: Alleine im Juni kamen um 30 Prozent mehr Menschen um, insgesamt stieg die Zahl der Getöteten zwischen Jänner und Juni um 6,7 Prozent.

Die Daten der Statistik Austria zeigen auch, wie und wo sich die tödlichen Crashs abspielen: 78 Prozent der Toten sind auf Freilandstraßen zu beklagen, und zwar weniger auf Autobahnen als vielmehr auf Bundes- und Landesstraßen. Nicht angepasste Geschwindigkeit ist in der Mehrzahl der Havarien der Grund - auch ABS und EPS helfen nichts mehr, wenn man mit 120 in die 60er-Kurve donnert.

Genau diese ehernen Regeln der Physik scheinen manche Automobilisten und Motorradfahrer mittlerweile vergessen zu haben. In Studien wurde bereits nachgewiesen, dass breitere, besser ausgebaute Straßen einen teuflische Nebenwirkung haben: Die Leute fahren schneller, weil sie sich sicherer fühlen. Dadurch wird der ursprüngliche Effekt aufgehoben.

Um den Blutzoll auf den Straßen senken zu können, sind viele Maßnahmen notwendig. Verstärkte Kontrollen, reformierte Führerscheinausbildung und ein besseres Öffi-Angebot sind wichtig. Entscheidend wird dabei aber sein, in den Köpfen der Lenker zu verankern, dass sich die Naturgesetze auch mit dem modernsten Auto und auf den breitesten Straßen nicht manipulieren lassen. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.10.2003)