Der Zug ist abgefahren. Schon nächste Woche könnte es Zehntausenden Pendlern im Osten Österreichs passieren, dass sie zu spät oder überhaupt nicht zur Arbeit kommen. Rund um Wien fehlen Lokführer, hier könnte sich der angekündigte Überstundenboykott der Eisenbahner als erstes auswirken. Spätestens Ende Oktober müssen sich Reisende auch im Westen des Landes auf Schlimmes gefasst machen.

Im Eilzugtempo

Der Konflikt zwischen Gewerkschaft und Regierung hat sich in den vergangenen Monaten aufgeschaukelt. Die schwarz-blaue Koalition will die Bahnreform nun im Eilzugtempo durchziehen. Durch die Aufteilung der ÖBB in mehrere, eigenständige Gesellschaften soll die Bahn insgesamt effizienter und fit für den Wettbewerb werden, sagen die Proponenten dieser Reform. Den Verdacht, beim Bahnumbau und beim geplanten Eingriff in das zugegeben vorteilhafte Dienstrecht der Eisenbahner gehe es auch darum, eine der letzten roten Bastionen in Österreich zu schleifen, können die Schwarz-Blauen nur schwer entkräften. Auf die Reisenden kommen harte Zeiten zu, wenn das Verfassungsgericht die Reform nicht im letzten Moment platzen lässt.

Permanentes Hineinregieren

Dass die Bahn reformiert gehört, steht außer Frage. Dass die Mitbestimmung der Gewerkschaft bei Postenbesetzungen und Dienstplänen ein Zumutung für jeden ist, der das Unternehmen lenken soll, ist ebenfalls klar. Warum die Regierung aber permanent in das tägliche Geschäft der Bahn hineinregiert und das angerichtete Chaos auch noch als Reform zu verkaufen sucht, ist wirklich nicht mehr zu verstehen. Die Regierung soll tun, was ihr zusteht: Rahmenbedingungen festlegen und den Bahnverantwortlichen Ziele vorgeben. Das tägliche Geschäft sollte man gefälligst dem ÖBB-Management überlassen, ohne politische Einwirkung. Schließlich bekommt es genug dafür bezahlt. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 2.10.2003)