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Wien - Österreich ist beim jüngsten kompletten Zusammenbruch (Blackout) der Stromversorgung in Italien gerade noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Mitgerissen vom Crash in Italien wurde nämlich auch Kärnten.

Angespannte Lage

Nach dem Einbruch der Spannung im 110-Kilovolt-Netz gingen laut Kelag einige Industrieproduktionen, viele Kleinkraftwerke und die Speicherpumpe im Kraftwerk Innerfragant vom Netz. Gleichzeitig wurde die 220-kV-Leitung von Lienz nach Oberitalien unterbrochen. Durch rasches Zuschalten mehrerer Speicherpumpen sei es aber gelungen, die Lage rasch wieder in den Griff zu bekommen.

Beigetragen zur zunehmend angespannten Lage bei den Stromnetzen habe die dramatische Senkung der Investitionen der heimischen E-Wirtschaft. Gab die Branche 2000 noch 729 Mio. Euro aus, waren es im Vorjahr nur noch 593 Mio. Euro, das ist ein Minus von fast 23 Prozent. 2003 investierten die Firmen aber wieder kräftig, sagte Energieregulator Walter Boltz am Montag vor Journalisten.

Keine Insel der Seligen

Ungeachtet dessen sei Österreich beim Strom keine Insel der Seligen. Käme es zu massiven Netz- und Versorgungsproblemen in Deutschland, würden auch im eng mit dem großen Nachbarn vernetzten Österreich zumindest zeitweise die Lichter ausgehen. "Auch in Österreich sind Ausfälle nicht ausgeschlossen", relativiert Boltz Aussagen nach dem Mega-Blackout in den USA Mitte August (siehe Zitat). Dies, obwohl Österreich ein sehr robustes System habe. Ausgelöst werden könnten Ausfälle in Österreich durch den hohen Anteil von Windenergie in Deutschland, der die Belastungsgrenze des Netzes überschreiten könnte.

2002 sei laut Störstatistik jeder österreichische Stromkunde im Schnitt 42 Minuten ohne Strom gewesen, in den anderen europäischen Ländern, besonders in Italien, bis zu fünfmal so lange. Die beste Vorsorge gegen große Ausfälle seien hinreichende Erzeugungsreserven, primär kurzfristig anwerfbare Speicherkraftwerke. Ferner seien ausreichend Reserven bei den Leitungen nötig, um bei Bedarf Erzeugungsleistung von verschiedenen Kraftwerken herbeischaffen zu können, sowie eine enge nationale und internationale Vernetzung der Leitungen. Hierzulande zu schwach sei jedoch das Hochspannungsnetz im Süden Österreichs wegen der Lücken im 380-kV-Hochspannungsring in Salzburg sowie besonders zwischen Südburgenland und Steiermark.

Kein Ausweichen möglich

Für den Stromausfall in Italien vom Sonntag war laut Boltz eine Kombination von "höherer Gewalt" und menschlichem Versagen verantwortlich. Neben Blitzschlag und einem auf eine Leitung gestürzten Baum in der Schweiz habe es auch Regelungs- und Steuerungsprobleme im Netz sowie Bedarfsfehleinschätzungen in Italien gegeben.

Ein Ausweichen über Österreich nach Italien, nachdem Leitungen aus Frankreich und der Schweiz ausgefallen waren, wäre etwa von Österreich nach Italien wegen der schwachen Leitungsverbindungen (auf italienischer Seite) jedoch nicht möglich gewesen.

Exmonopolist blockiert

In Italien, das rund ein Viertel seiner Elektrizität importiert, hänge dies vor allem an Blockaden des Exmonopolisten Enel, aber auch an schleppenden Genehmigungsverfahren für den Leitungsbau. Grundsätzlich sei eine Übertragung gewisser nationaler Leitungsagenden an die EU zu überlegen, sagte Boltz. (Clemens Rosenkranz, DER STANDARD Print-Ausgabe, 30.9.2003)