Einige Wochen, nachdem das Lied im Fernsehen und auf Platte herausgekommen war, ging Gerhard Bronner wieder einmal in die Eden und wurde vom Geschäftsführer beschieden: „Es ist mir furchtbar peinlich, Ihnen das sagen zu müssen, aber es waren Gäste da, die sich über Ihr Lied beschwert haben. Ich würd’ Sie bitten, wenn’s irgend möglich wär’, dass Sie für einige Wochen, wenn nicht gar Monate nicht in die Eden-Bar kommen.“ – „Na gut, ich hab’ Danke schön gesagt und bin gegangen. Ein Jahr später kam ich wieder an der Bar vorbei, da hing draußen eine Werbung: Wir sitzen in der Eden und reden!“

Daran erinnert sich auch Heinz Werner Schimanko, der heutige Besitzer der Bar in der Liliengasse in der Wiener Innenstadt: Das Lied sei die beste Reklame für die Eden gewesen. Damals war er 16 Jahre alt und ein Verehrer von Bronners Theaterarbeit, er sei immer in der letzten Reihe in dessen Theater gesessen. Einen Besuch in der Bar konnte er sich auch einige Zeit später kaum leisten, und wenn, dann parkte er seinen 15 Jahre alten VW verschämt um die Ecke – das hat sich mittlerweile radikal geändert, wie man sich fast jeden Abend in der Liliengasse überzeugen kann. Die Eden und das Lied: eine Symbiose seit 1958, ein Erfolg mit Vorgeschichte und ungeahnten Wirkungen und Nebenwirkungen und nicht zuletzt eine Frucht der Zusammenarbeit zwischen Bronner und Qualtinger. Denn der Texter und Komponist hat sie dem Interpreten auf den Leib geschrieben, wobei Helmut Qualtinger nicht gerade den Idealtyp der geschilderten Jeunesse dorée verkörperte: „natürlich nicht, aber er hat sie glänzend spielen können.“

Entstanden ist Der Papa wird’s schon richten – ein Titel, der für Protektionismus und Politikerprivilegien so sprichwörtlich geworden ist, dass ihn der Spiegel noch heute ohne nähere Erklärung zitieren kann –, entstanden ist dieses Lied mit dem Publikum der Eden vor Bronners Augen; wobei die Bar – und, folgt man Schimanko, auch sein Publikum – sich seit den Fünfzigerjahren kaum geändert haben. „Wie ich die Nummer schreiben wollte über den Politikersohn, der einen Menschen totgefahren hatte und nicht angezeigt wurde, da hab ich das Reden darüber in die Eden-Bar verlegt, deren Publikum ich kannte, und dann noch zwei weitere Geschichten dazu erzählt, wobei die eine, die mit dem Sohn in der Atomkommission, ja auch passiert ist.“

War das denn in Wien damals bekannt? „Sagen wir, es ist von hinten herum bekannt geworden. Ein Journalist hat mir die G’schicht’ erzählt. Ich wollte sie in einer Zeitung bringen, durfte aber nicht.“ Also machte er ein Lied daraus, das innerhalb kürzester Zeit ungeheuer populär wurde. Folgen hatte es weniger für die Protektionskinder als für deren Väter. „Der eine, ein Minister, ist kurz danach zurückgetreten, der andere hat eine weniger prestigehafte Aufgabe als zuvor übernehmen müssen.“

Das Lied ist aber nicht nur eine Realsatire auf Leute, die sich’s richten, sondern eine präzise – heute würde man sagen: stadtsoziologische – Mikroanalyse einer bestimmten Schicht. „Ja, nur beim Schreiben hab’ ich das noch nicht gewusst. Beim Schreiben ist das ganz anders. Zuerst suche ich mir die Reimworte zusammen und überlege mir, was davon kann ich verwenden. Das ist für mich das Mit-Worten-Ausfüllen einer Melodie.“ Zum Beispiel: „Ich hab gewusst, ich werde Reime auf das Wort ,richten‘ brauchen. Nichten, Pflichten und so. Aber wenn mir im Jahr 1958 jemand gesagt hätte, dass im Jahr 2003 wegen diese Liedes Fragen an mich gerichtet werden, hätte ich ihn für teppert gehalten.“ Die Eden-Bar, sagt Schimanko, habe eine lange und sehr wienerische Tradition. 1904 als Kaffeehaus in dem damals neu gebauten Haus eingerichtet, wurde es immer von einflussreichen Leuten frequentiert, die unter anderem dafür sorgten, dass die jüdische Besitzerin den Zweiten Weltkrieg fast unbeschadet überlebte. Später gehörte es einem ungarischen Aristokraten, dessen Frau eine Sängerin bei Bronner war – der die Lokalität auch fast gekauft hätte, wenn ihm nicht ein Engagement in Deutschland dazwischengekommen wäre.

Außerdem war die Eden Schauplatz des Endes einer großen Wiener Feindschaft, nämlich der zwischen Bronner und Qualtinger, und die kam so: „Dass das Lied immer mit dem Qualtinger assoziiert worden ist, das bin ich gewohnt. Böses Blut hat es gegeben, aber deswegen nicht. Wir hatten beide mannigfachen Anlass, aufeinander böse zu sein. Wobei ich fairerweise sagen muss, die Schuld lag nicht beim Qualtinger und nicht bei mir, die lag in erster Linie bei seiner Frau Leomare. Die hat furchtbar gehetzt gegen mich und Äußerungen des Qualtinger, die gar nicht von ihm stammten, an die Presse weitergegeben.“ Also hat sie auch die Art von „practical jokes“ gespielt, für die er berühmt war? „Vollkommen richtig. Solche und ähnliche Geschichten über mich in der Zeitung zu lesen, das hat mich so verärgert, dass ich dann angefangen hab’ zu replizieren, und daraus ist eine Feindschaft geworden, die 18 Jahre lang, von 1960 bis 1978, gehalten hat.“ Da saßen die beiden dann eines Tages unabhängig voneinander wieder einmal in der Eden. Qualtinger sah Bronner lange an. „Ich war neugierig, was jetzt kommt“, erinnert sich Bronner. „Er sagte: Ich kenn’ Ihren Sohn! Darauf sag’ ich: Seit wann samma per Sie, du Trottel? Von dem Moment an waren wir wieder versöhnt.“

Was ist das Bleibende an Qualtingers Schaffen? Für Schimanko sind es Rollen wie in der Roth-Verfilmung Das falsche Gewicht und seine Lesungen aus Mein Kampf. Bronner dazu: „Er wollte etwas Ausgefallenes lesen, und ich hab ihm gesagt, wie wär’s mit Mein Kampf? Er fragt, wo nimmt man das her, und darauf sagt unsere Garderobiere: Ich hab’ so a Exemplar daham, weil wir das im Standesamt geschenkt bekommen haben, es ist no ganz neu, i hab’s nie ang’schaut. Und aus dem Buch hat er die ganze Tournee lang vorgelesen.“

Bronner war bei Qualtingers Tod einer der wenigen, die nicht in die gängigen Eulogien über das Genie eingestimmt haben; im Gegenteil, er kritisierte ihn dafür, auf falsche Freunde gehört zu haben. „Seine Kabarettkarriere“, ergänzt Bronner heute, „endete damit, dass eines Tages der Regisseur Rudolf Schuh zu uns kam und sich eine Vorstellung von Hackl vorm Kreuz ansah, wo der Quasi wirklich in allen Facetten brillierte. Er sagt zu ihm: Hören Sie zu, Herr Qualtinger, ich übernehme nächstes Jahr das Schauspielhaus in Köln und möchte, dass Sie bei mir Richard III spielen. Trauen Sie sich das zu? Sagt er: Na wenn Sie mir’s zutrauen, trau’ ich mir’s auch zu.“ Am übernächsten Tag stand das Rollenengagement schon in den Zeitungen. „Um es gleich vorwegzunehmen: Er hat ihn nie gespielt. Aber es war für ihn ein Grund, mit dem Kabarett aufzuhören.“ An eine Reaktion darauf erinnert Bronner sich gerne: „Es gab damals in Prag einen bekannten Kabarettisten, der sich auf seinen Wienbesuchen immer unser neues Programm ansah. Eines Tages fand er das Ensemble ohne Qualtinger vor, und als ich ihm erklärte, der spiele jetzt Theater, da sagte er, und das ist mir unvergesslich: Was, Theater spielt er? A so a Trottel, das kann doch a jeder!“ (DER STANDARD, ALBUM, Printausgabe, 27./28. 9.2003)