"Österreich führt Revolte in der EU an", titelt die Krone. Außenministerin Ferrero-Waldner sei die Jeanne d'Arc, die an der Spitze von 19 kleineren EU-Mitgliedern (jetzigen und künftigen) gegen die Pläne der "Großen" (vor allem Frankreich und Deutschland) Front gegen die Umsetzung des Verfassungsentwurfs für eine neue EU mache.

Die lokalpatriotische Aufwallung der Krone hat (diesmal) eine Basis in der Realität. Österreich schmiedet tatsächlich eine Allianz der Kleinen, um einige wesentliche Punkte aus dem Verfassungsentwurf, so wie ihn der Konvent zusammengeschrieben hat, noch zu ändern.

Konkret geht es darum, dass auch bei 25 Mitgliedsländern (ab 1. Mai 2004) jedes Land einen voll stimmberechtigten EU-Kommissar haben soll, statt nur 15 wie bisher. Zweitens artikulieren die Kleinen Widerstand gegen die Bestellung eines EU-Präsidenten, der ständig den Vorsitz im EU-Rat der Staats- und Regierungschefs haben soll.

Die Ratspräsidentschaft soll weiter unter den Mitgliedern rotieren. Österreich führt hier gemeinsam mit Finnland eine Fronde an, der noch die Neulinge Lettland, Estland, Zypern, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Polen, Malta und Litauen (die Neuen) und die Niederlande, Irland, Griechenland, Dänemark, Schweden, Belgien und Luxemburg angehören. Österreich betreibt damit erstmals wieder EU-Politik in großem Stil, nachdem von uns in den letzten Jahren nicht viel zu merken war - mit Ausnahme der "Sanktionen" natürlich, aber das war ja wohl keine positive Aktion. Die jetzige Initiative ist auch eher eine Blockade und eine Obstruktion, aber eine, die man argumentieren kann. Bemerkenswert dabei ist, dass die Aktion ihren Ausgang von einem Treffen in Prag nahm, wo man sich mit den Tschechen einig war, dass man die Entwicklung in der EU nicht so hinnehmen könne. Alte Streitigkeiten (Stichwörter Temelín, Benes-Dekrete) wurden damit zur Seite geschoben.

Federführend bei der Aktion ist Außenministerin Ferrero, die in der Krone auch mächtig in den Vordergrund geschoben wird (der Bundespräsidentschaftswahlkampf hat hiermit begonnen). Die Strategie und wohl auch einige wichtige Weichenstellungen stammen aber von Wolfgang Schüssel, der sich schon im August mit dem finnischen Ministerpräsidenten bei den Salzburger Festspielen auf eine gemeinsame Führung verständigte.

Österreich allein wäre als "Führungsmacht" der Kleinen für viele doch nicht zu akzeptieren - vor allem wegen unserer Bremsmanöver bei der Osterweiterung.

Schüssel hat also eindeutig ein Stück Initiative innerhalb der EU zurückgewonnen. Der erste Test ist die Regierungskonferenz der EU am 4. Oktober in Rom, wo es darum geht, eine rasche Verabschiedung des Verfassungsentwurfs zu blockieren oder die Änderungswünsche einzubauen. Die Frage ist natürlich, wie die Sache ausgeht. Österreich ist jedenfalls in der EU nicht allein, wie so oft in den vergangenen Jahren, und kann zwar von den "Großen" als Störenfried angesehen werden, hat aber immerhin 18 Kleine hinter sich (Polen gehört bevölkerungsmäßig zwar eher zu den Großen, will aber auch kein "Direktorat" in der EU). Offen ist, wie viele bei diesem Aufstand der Kleinen bei der Fahne bleiben werden. Wichtig genug scheint es den meisten zu sein, und gerade die Finnen, die in der EU-"Innenwelt" weit angesehener sind als Österreich, sind ein Garant für eine Grundseriosität des Vorhabens. Schüssel ist hier offenbar etwas gelungen.

hans.rauscher@derStandard.at

(DER STANDARD, Printausgabe, 26.9.2003)