Graz - Die Eröffnungsfeier zum steirischen herbst, generell eine Gelegenheit zu reflexiver Selbstüberprüfung, fand am Freitagabend im Opernhaus Graz statt. Rednerin Olga Neuwirth, deren neues Musiktheaterstück Lost Highway ab 31. Oktober in der Helmut-List-Halle läuft, thematisierte in ihrem Text Alles ist möglich und tout est mort die Vogelfreiheit avancierter Kunstproduzenten in einer "globalisierten Weltordnung".

Tenor ihrer teils vom Band gesprochenen Reflexionen: Der Verlust sinnstiftender Komponenten nötige die zeitgenössischen Intellektuellen zu oftmals unbedankt bleibender Risikoarbeit: "Meine taumelnde Generation ... kommt immer zu spät, denn die Tabus wurden bereits von den vorangegangenen Generationen gebrochen, die heute ihren festen und sicheren Status in der Gesellschaft haben."

Zugleich wachse eine Generation der 18- bis 25-Jährigen nach, die zwar selbstbewusst aufträten, sich aber "gängiger Muster" bedienten.

Neuwirths tonsetzerisches Plädoyer gegen die "Eventkultur" gipfelt in einem Appell zur Handlung. Gegen den "Schrecken der Milde" setzt die Komponistin das Ethos unerschrockener Konfliktaustragung: Erst "dann sollte Kunst wenigstens das Unbegrenzte, Unbekannte, Leicht-Schwebende ohne Bombast und Sentimentalität sein."

Umrahmt von Musik der Gebrüder Muthspiel und von Robyn Schulkowsky und Iannis Xenakis, bezog sich herbst-Präsident Kurt Jungwirth in seiner Ansprache auf die Dynamik der Kulturhauptstadt Graz ("2003 hat der Stadt Auftrieb gegeben") - und auf das Verhältnis der Alten Welt (Europa) zur neuen (Amerika): "Europa hat aus der Geschichte gelernt. Die ersten Pflanzen der EU sind nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs gesetzt worden." (poh/DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.9.2003)