Verena Stagl
Zoologin und Kustodin im Naturhistorischen Museum Wien
Geschwindigkeit stellt für meine tägliche Arbeit keine relevante Größe dar. Es geht in erster Linie um Genauigkeit und Kreativität. Ich betreue eine wissenschaftliche zoologische Sammlung, genauer gesagt die Myriapoden-Sammlung. Myriapoden sind Tausendfüßler. Sie gehört wie fast alle Sammlungen des Naturhistorischen Museums zu den größten der Welt und umfasst circa 20.000 Serien. Eine Serie bedeutet ein Gläschen, einen Posten, mit mehreren Tieren, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort gefunden wurden.

Foto: Aleksandra Pawloff

Die Schneckensammlung des Hauses zählt gar sieben Millionen Tiere. Mein Job ist es, diese Sammlung zu vergrößern, zu vervollständigen und für weiterführende und internationale Forschungen zugänglich zu machen. Dies geschieht durch Publikationen, Datenbanken und persönliche Auskünfte. Man könnte sagen, ich darf an einem Archiv der Artenvielfalt mitarbeiten, welches unseren Nachkommen in einwandfreiem Zustand übergeben werden muss. Unser "Produkt" muss jahrhundertelang Gültigkeit haben. Es ist ein Job für die Zukunft.

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Fritz Krinzinger
Archäologe
Im Grunde genommen habe ich in der historischen Kulturwissenschaft immer Zeiträume aus großer Distanz zu untersuchen. Dadurch habe ich eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit Zeit. Trotz der weiten Entfernungen zu den Zeiträumen, die wir erforschen, müssen wir uns aber ständig den modernen Herausforderungen, mit der Zeit umzugehen, stellen, damit unser Fach aktuell bleibt. Der Faktor Geschwindigkeit spielt aber auch auf einer anderen Ebene eine große Rolle in unserem Beruf, so finden bei gewissen Messmethoden Verbrennungsvorgänge statt, die nur Zehntelsekunden dauern.

Foto: Aleksandra Pawloff

Christian Wimmer
Managing Director McDonalds Österreich
Vier Grundprinzipien unseres Unternehmens lauten abgekürzt QSSP, Qualität, Service, Sauberkeit und Preiswürdigkeit. Gerade im Bereich des Service ist die Servicegeschwindigkeit ein essenzieller Bestandteil. Wir sind ja auch die Marktführer im QSR, also im Quick-Service-Restaurant-Bereich. Ob diese Abkürzungen auch mit Geschwindigkeit in der Unternehmenskommunikation zu tun haben? Eigentlich nicht, das sind halt interne Abkürzungen, Grundlagen fürs Geschäft, die jeder unserer 7500 Mitarbeiter verinnerlicht. Das Quick-Service impliziert ja schon den Ausdruck der Geschwindigkeit. Bei uns sind Servicezeiten sehr, sehr relevant für unsere Kunden, abgesehen vom Produkt und vom Ambiente.

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Ich würde den Begriff Geschwindigkeit eigentlich durch Effizienz ersetzen, das heißt durch hohe Standards der gesamten Abläufe, was natürlich auch wieder für den Gast merkbar ist. Die Servicezeiten müssen letztendlich seinen Erwartungen an McDonalds entsprechen. 300.000 Gäste besuchen jeden Tag unsere Restaurants, das erfordert in Sachen Management natürlich eine gute Arbeitsvorbereitung, ein gutes System, aber auch Ruhe. Die Abläufe sind gut trainiert, daraus resultiert dann auch die Arbeitsgeschwindigkeit. Für uns ist das eine Grundlage des Geschäftes. Den Begriff Fastfood übersetzen wir eher mit Quick-Service. In welcher Geschwindigkeit der Gast sein Essen zu sich nimmt, bleibt ja ihm überlassen.

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Gerti Pertiller
Direktorin des Hotel Orient
Ich brauche Zeitdruck, baue ihn mir selbst auf, sonst erledige ich Dinge nicht. Dadurch bin ich schneller und effizienter. Dann rennt's wie am Schnürl. Etwas, wofür ich sonst fünf Stunden brauche, erledige ich dann in zwei. Wie es dazu kommt, ist nicht wirklich zu erklären. Wir leben in einer Zeit, die irrsinnig schnell geworden ist. Das fällt einem auf, wenn man in einem anderen Land auf Urlaub ist, wo Zeit noch eine andere Bedeutung hat. Eine Ursache für diese Stressverstärkung, und Stress ist für mich eine Form der Überforderung, sehe ich in der Informationsüberflutung.

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Ich bin fast 53, wie es den Jungen damit geht, kann ich nur bedingt beurteilen. Man sammelt ständig Informationen, man braucht sie auch, sonst gerät man ins Hintertreffen. Daraus resultiert ein Gefühl, dass man einfach allem hinterherhechelt - ob es um alltägliche Banalitäten zu Hause oder ums Geschäft geht. Auch meine Branche leidet darunter. Es geht ja dem Gast ebenfalls so. Keiner ist mehr bereit, im Geringsten zu warten. Für mich war es fast eine Tragödie zu erfahren, wie Gäste auf den Aufzug im Hotel Domizil, das ich auch führe, reagierten. Der Aufzug ist aufgrund seiner Konstruktion einige Sekunden langsamer als andere. Darüber gibt es tatsächlich Beschwerden. Obwohl es sich wirklich nur um Sekunden handelt, bemerken das die Leute. Auch im Restaurant kann man es registrieren. Gäste bauen bei ganz normalen Verzögerungen eine derartige Spannung auf, man kann sie richtig mitspüren.

Foto: Aleksandra Pawloff

Frau Lisa
Taxilenkerin
Die Leute bummeln nicht gern in der Gegend herum. Geschwindigkeit ist mehr oder weniger wichtig für sie. Außerdem geht es bei einer Fahrt mit dem Taxi ja auch um Kosten. Ich fahre jetzt 33 Jahre lang Taxi, da ist Geschwindigkeit nicht mehr wichtig. Ich kann meinen Tagesablauf gut organisieren, bin immer pünktlich und habe so gut wie nie Eile. Eigentlich kalkuliere ich meinen Tag. Freilich kommt es vor, dass ich mich tummeln muss. Manchmal erwisch' ich mich in einer 30er-Zone, dass ich ein bisschen drüber bin.

Foto: Aleksandra Pawloff

Es ist gar nicht so einfach, nicht manchmal schneller zu fahren, meistens drängeln die Fahrer hinter einem dann auch noch. Der Vordere ist vielen immer zu langsam.
Ich fahre flott, aber nicht gefährlich, auch mit Bedacht. Das hängt mit dem Alter zusammen. Wenn jemand zu mir sagt, ich soll schneller fahren, erkläre ich ihm die Folgen eines Delikts für einen Taxilenker. Wir sind ja bei der Arbeit und nicht auf der Flucht. Und wenn's einem gar nicht passt, sag' ich ihm schon, dass er aussteigen soll. Das ist aber noch nie vorgekommen.

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Berthold Thoma
Geschäftsführer von Hutchinson
Es ist ja längst so, dass der Schnellere den Langsamen schlägt und nicht der Größere den Kleinen. Geschwindigkeit ist also vor allem in unserer Branche, in der eine Mischung aus Geschwindigkeit und Technologie das Produkt ausmacht, ein großer Schlüssel zum Erfolg. Einem Medienunternehmen muss es meiner Meinung nach darum gehen, das Medium mit den richtigen Inhalten zu befüllen.

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Was so ein Inhalt sein kann? Nehmen wir an, Sie spazieren mit Ihrer Familie auf der Donauinsel und irgendwo ist ein Fußballspiel im Gange, das Sie interessiert. Sie haben nun die Möglichkeit, den Download-Button auf Ihrem Mobiltelefon zu drücken und bekommen mit einer Minute Verspätung das eventuell entscheidende Tor auf Ihr Display geliefert. (Michael Hausenblas, DER STANDARD, rondo/19/09/2003)
Fotos: Aleksandra Pawloff

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