Wien - Regen, Nebel und vor allem ein trüber verhangener Himmel schlagen sich manchmal schwer auf das Gemüt. Rund 80.000 Österreicherinnen und Österreicher, hauptsächlich Frauen, leiden an saisonal abhängiger Depression (SAD). Einige glauben sich sogar in einer derartig verzweifelten Situation, dass sie zum Äußersten gehen und Selbstmord begehen.

Im Vorjahr sind laut Statistik Austria 1.189 Menschen freiwillig aus dem Leben geschieden (2001: 1.489). Allerdings wurden die meisten Fälle im Juni (160) und nicht wie mensch denken könnte in den "typischen" Monaten Oktober, November (je 114) sowie Dezember (128) verzeichnet. Eigentlich ungewöhnlich meinte Dr. Claudius Stein, ärztlicher Leiter des Wiener Kriseninterventionszentrums.

Peaks bei Suiziden

Normalerweise bemerkt er bei den Suiziden zwei Peaks, im Frühjahr und Herbst. "Zeiten, in denen sich etwas verändert, tragen dazu bei", meinte der Fachmann. Im Frühjahr öffnet sich das Leben nach dem Winter wieder für die Menschen - wodurch für Depressive der eigene Zustand als noch schlimmer empfunden wird. Im Herbst wiederum mit dem Sommerende und dem Schulbeginn entsteht ebenfalls viel Druck und damit Krisen. Die lange, bevorstehende Dunkelheit hat auch nicht gerade positive Effekte.

Stein unterscheidet zwischen zwei unterschiedlichen Gründen, die Menschen zu einer solch endgültigen Verzweiflungstat treiben können: Die psychosoziale Krise - Trennungen, Verluste, Soziale Problem oder solche in der Arbeit - "Situationen, in die jeder kommen kann", und die psychische Störung wie Depressionen, Alkohol und Drogen oder Schizophrenie. "Besonders bedrohlich wird es, wenn beide Faktoren zusammenkommen." Depression spielt übrigens eine enorme Rolle: Laut dem Experten haben Betroffene eine 20 Mal höhere Selbstmordrate.

Ankündigung

Die oft geäußerte Ansicht, dass jene, die einen solchen Schritt ankündigen, nie zur Tat schreiten, ist völlig falsch: "Ein Suizid aus heiterem Himmel ist eher selten. Die überwiegende Mehrzahl kündigen ihn an - manche sehr direkt, andere durch Andeutungen und viele suchen Hilfe." Für Freundinnen, Freunde und Verwandte ist es daher wichtig, hellhörig zu sein, die betreffende Person ernst zu nehmen und zu unterstützen. Vor allem muss dafür gesorgt werden, dass der betreffenden Person auch professionell geholfen wird. Dass die Menschen bereit sind, diese dann auch anzunehmen, darauf führt Stein die gesunkene Suizid-Zahl zurück.

Jene, die sich in einer akuten Krisensituation befinden, bekommen im Zentrum (Tel.: 01/4069595) Beratung und Kurztherapie - für psychische Krankheiten gäbe es andere Einrichtungen. Auch so kann man sich nicht über mangelnde Beschäftigung beklagen: Im Vorjahr wurden vom Kriseninterventionszentrum laut Stein 1.315 Fälle bearbeitet und zusätzlich 2.000 Telefonate geführt. (APA)