Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Archiv
Die Meinung der Wissenschafter, vulgo der Experten, wird gerne als der Weisheit letzter Schluss angesehen. Doch woher beziehen die jene Autorität, die sie von den Laien abhebt? Gibt es Blanko-Persilscheine in Bezug auf "das Rationale" für WissenschafterInnen von der Öffentlichkeit? Der Soziologiestudent Martin Scheuringer ging in einer Seminararbeit auf Spurensuche nach der "Krise der Rationalität".

Platon ist an allem Schuld

Das meinte zumindest der französische Soziologe Bruno Latour, als er 2001 im "Parlament der Dinge" über das übersteigerte Selbstbewusstsein der modernen Wissenschaft schrieb. Auch in Platons Höhlengleichnis wird eine zweigeteilte Welt beschrieben: In der einen Hälfte sind die ewigen Prinzipien der Vollkommenheit (Ideen) zu Hause, in der anderen die chaotischen und sich immer verändernden Dinge, die wir wahrnehmen.

Philosophie (oder generell Wissenschaft) ist nun dazu berufen zwischen diesen Teilwelten zu vermitteln und mit Hilfe der Ideen Ordnung ins Chaos zu bringen. Fast wie der Priester, der zwischen der Welt der Götter und der Sterblichen vermittelt. Aber zu dieser Analogie später mehr. Zunächst lohnt es sich einen Blick auf die Arbeitsweise der Wissenschaft zu werfen.

Brave new science

Wenn hier von Wissenschaft die Rede ist, dann von der modernen, empirischen, die mit der frühen Neuzeit ihren Siegeszug angetreten hat. Ihre wichtigsten Werkzeuge sind die Erfahrung und die Mathematik. Die Erfahrung, genauer gesagt die systematisierte Beobachtung, erlaubt das Formulieren von mathematischen Gesetzen. Mit diesen lassen sich Berechnungen anstellen, die wieder mit Beobachtungen bestätigt werden usw.

Alles wurde berechenbar gemacht und in ein System gequetscht. War die Natur ehedem noch als organisches Wesen aufgefasst worden, das tat, was ihm gefiel, sah man Natur nun als Maschine, deren Mechanik nichts dem Zufall überließ.

Staatsreligion, zweiter Versuch

Genauso wie dereinst die mittelalterliche Wissenschaft muss sich fünf Jahrhunderte später auch die empirische Wissenschaft Zweifel an ihrer Autorität anhören. Scheuringer beschreibt diese Kritik von zwei Seiten: Wem dient Wissenschaft und greifen überhaupt ihre Werkzeuge? Auf die erste Frage gibt die Geschichte eine klare Antwort: Wissenschaft dient dem Staat. Sie gibt ihm die Rechtfertigungen für seine Handlungen und das erforderliche Know-How.

Der Staat revanchiert sich mit einem mehr oder weniger großen Teil des Volksvermögens. Ergänzend muss dabei gesagt werden, dass nun auch in unseren Breiten die Wirtschaft in diese Rolle drängt. Doch diese Liaison - so von Abhängigkeit geprägt - ist wohl um nichts unproblematischer. Aber nicht nur diese Symbiosen geben zu denken. Im Umgang mit ihren Konkurrenten, der von Ignoranz geprägt ist, zeigt Wissenschaft Parallelen zur Kirche des Mittelalters, die vor Gotteslästerern kaum weniger Respekt hatte.

Gescheiterte Zähmung

Die zweite Frage ist etwas schwieriger zu beantworten. Was es so schwer macht, die beschriebene Methode der Wissenschaft zu kritisieren, ist, dass sie so verflucht gut funktioniert. Zumindest solange die Natur sich an die formulierten Regeln hält. Geht man jedoch an die Grenzen des von uns Erfassbaren, in den subatomaren Bereich, beginnen die Schwierigkeiten. Wenn die Trennung von Beobachter und Beobachtetem nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, wie in der Quantenphysik, wankt das ganze System. Gar nicht zu sprechen von globalen Prozessen, deren Tragweite für die Zukunft der Menschheit nur langsam ins Bewusstsein einsickert.

Warum Partizipation nötig ist

Wen also auch die Wissenschaft nicht im Besitz der absoluten Wahrheit ist, wonach sollen wir uns richten? Die Schlussfolgerung des Autors ist, dass es unumgänglich sein wird, auch jene in den Prozess der Wissenschaft einzubinden, die von den möglichen Ergebnissen betroffen sein werden. Ähnlich wie die Geschworenen bei Gericht, soll auch in diesem Bereich die Laien über Rationalität mitentscheiden dürfen.

Diese bringen gewiss ebenfalls nicht die absolute Wahrheit, aber haben sie nicht eine Chance verdient, ein paar Jahrhunderte lang, wie auch WissenschafterInnen, die Welt zu verbessern?

Die Arbeit im Volltext (Anmeldung erforderlich).