Ramallah - Nach Einschätzung des palästinensischen Arbeitsministers Ghassan al-Khatib wird Israel den palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat vorerst nicht ausweisen. Der vom israelischen Kabinett gefasste "Grundsatzbeschluss" diene vielmehr dazu, die Weltöffentlichkeit mit dieser Idee vertraut zu machen, erklärte Khatib am gestrigen Montag in Ramallah vor Journalisten

Ausweisung Arafats wäre Ende der Friedensbemühungen

Eine Ausweisung des gewählten, legitimen Präsidenten des palästinensischen Volkes würde das Ende der palästinensischen Autonomiebehörde (PNA) bedeuten, betonte Khatib. Dies hätte auch das Ende der Friedensbemühungen zur Folge. Vorerst hätten die USA kein grünes Licht für eine Ausweisung Arafats gegeben, die israelische Regierung habe jedoch die feste Absicht, ihn zu beseitigen, ja zu töten.

"Extremisten in Israel an der Macht"

"In den Palästinensergebieten sind die Extremisten in der Opposition, in Israel sind sie an der Macht", erklärte der Minister, der der ex-kommunistischen Palästinensischen Volkspartei (PPP) angehört. Khatib ist Mitglied des Kabinetts des zurückgetretenen Premiers Mahmud Abbas (Abu Mazen), der vorerst die Regierungsgeschäfte weiter führt.

Die Differenzen zwischen Arafat und Abbas seien auf Meinungsverschiedenheiten über die Besetzung bestimmter Ämter zurückzuführen, aber nicht grundsätzlicher Natur bezüglich des Friedensplans des Nahost-Quartetts ("roadmap"), versicherte Khatib.

Hamas-Terror

Zum Terror der Hamas meinte Khatib, die Besatzungsmacht Israel habe es mit ihrer Militärmaschinerie nicht geschafft, diese extremistische Organisation zu zerschlagen. Warum sollten die Palästinenser dies für die Israelis erledigen, so der Minister. Die von der Palästinenserregierung und befreundeten arabischen Staaten mit den Extremisten ausgehandelte Waffenruhe ("Hudna"), sei eine Chance gewesen. Israel habe aber gar kein Interesse daran gehabt.

Vize-Informationsminister Ahmed Soboh erinnerte daran, dass der jetzige israelische Premier Ariel Sharon schon als Oppositionspolitiker das Osloer Friedensabkommen (1993) vehement bekämpft habe. Er habe in der Knesset (israelisches Parlament) auch gegen den Friedensvertrag mit Jordanien gestimmt. Und der frühere israelische Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger Yitzhak Rabin sei im Jahr 1995 von jenen Extremisten ermordet worden, die jetzt an der Macht seien.

Kritik an ungebremsten Siedlungsausbau

Soboh wies auch auf den ungebremsten Ausbau der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten hin. Unter allen fünf israelischen Regierungschefs seit den Oslo-Verträgen seien die Siedler dazu ermutigt worden. "Wenn unser Land konfisziert wird, welche Gegenleistungen sollen wir erbringen?", betonte Soboh. Dazu würden die Palästinenser durch die unzähligen israelischen Checkpoints in ihrer Bewegungsfreiheit behindert. Er selbst habe seit mehr als einem Jahr seine Eltern in Jenin nicht mehr besuchen können.

Seine Regierung habe kein Interesse an einem islamistischen Regime, wie dies die Hamas anstrebte, sagte der Diplomat. Wie jedoch solle die PNA, wie von Israel verlangt, die Hamas zerschlagen, wenn die Autonomiebehörde nicht einmal über entsprechende Einrichtungen und Infrastruktur verfüge, fragte Soboh. Die palästinensischen Polizisten müssten ständig fürchten, von israelischen Soldaten erschossen zu werden.

Arafat harrt unterdessen in seinem weitgehend von der israelischen Armee zerstörten Hauptquartier, der Mukataa, in Ramallah aus. Neben seinen bewaffneten Wächtern haben auch palästinensische Zivilisten ihr Lager auf dem Gelände aufgeschlagen, um den "Rais" (Führer) zu verteidigen. "Wir sind bereit, für Arafat zu sterben", versichern sie. (APA)