Infografik: Karenz-/Kindergeld
Mit Jahren Verspätung fordern Finanzämter Karenzgeldzuschüsse aus den 90er-Jahren zurück. Der Grüne Karl Öllinger findet die Aktion kafkaesk - auch, weil 115 Prozent der Leistung zurückverlangt werden.

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Wien - Viele Mütter und Väter sind verwirrt. Bekamen sie doch Briefe vom Finanzamt, in denen sie aufgefordert werden, Zuschüsse zum Karenzgeld zurückzuzahlen - und zwar, wie es in der Erläuterung heißt, für "Kinder, die ab 1996 geboren wurden". Und das nach komplizierten Ratenschlüsseln, was viele Eltern nach Jahre alten Einkommensbelegen suchen lässt.

Die Vorgeschichte beginnt in der rot-schwarzen Koalition: 1995 beschloss die Regierung Vranitzky/Schüssel, das erhöhte Karenzgeld (180 Euro pro Monat für allein Erziehende und Finanzschwache) in einen Zuschuss umzuwandeln, der zurückbezahlt werden muss. Allerdings wurde bis zum Jahr 2003 kein Schilling oder Euro zurückverlangt, erst jetzt schickten die Finanzämter die Schreiben aus.

Paradoxerweise auch an Leute, die zwar Anspruch auf das erhöhte Karenzgeld gehabt hätten - es aber nie bezogen haben. Theoretisch sind 100.000 Menschen von der Rückzahlung betroffen.

Und von denen, die den Zuschuss bekommen haben, verlangen die Finanzämter Zuschläge von 15 Prozent. Das ist für den grünen Sozialsprecher Karl Öllinger absurd: "Wer eine Sozialleistung zu Unrecht bezogen hat, muss sie zu 100 Prozent zurückzahlen. Und wer sie zu Recht bezogen hat, muss 115 Prozent zurückzahlen?" Ein anderer Teil der Rückforderung erscheint Öllinger schlicht "kafkaesk": Die Finanzämter titeln ihre Rückforderungen nach dem "Karenzurlaubszuschussgesetz 1999" - das Gesetz gibt es seit 1997 gar nicht mehr. Für Öllinger Grund genug, eine Anfrage an Finanzminister Karl-Heinz Grasser anzukündigen.

Dessen Sprecher sagt, dass die Zuschüsse von 1996 und 1997 verjährt sind, dass man aber versuchen werde, die ab 1998 einzufordern. Daher hätten die Finanzämter "Fragebögen" versandt. Die Sprecherin von Finanzstaatssekretär Alfred Finz ergänzt: "Dass jetzt die Rückforderungen beginnen, hat den Grund, dass erst jetzt geeignete Software zur Verfügung steht."

Die FPÖ denkt indes in die Zukunft: Familienstaatssekretärin Ursula Haubner will das Kindergeld, dessen Bezieherzahl die Marke von 100.000 überschritt (siehe Grafik), bis zum Schuleintritt ausdehnen. Eine Hälfte des Geldes soll direkt an Eltern ausbezahlt werden, die andere Hälfte in Form eines Schecks für Betreuungseinrichtungen. Zahlen sollen das die Länder. (Eva Linsinger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.9.2003)