Standard: Wo sind Sie derzeit?

Kampmüller: Wir sind gerade hier in Soroti in Norduganda angekommen und wollen rund hunderttausend Binnenflüchtlinge betreuen, die sich in diese Kleinstadt vor Angriffen der Rebellen der Lord Resistance Army (LRA) gerettet haben. Die Stadtverwaltung ist damit völlig überfordert, die Menschen leben extrem gedrängt unter katastrophalen sanitären Bedingungen auf einem Schulgelände. Es gibt viel zu wenig Wasser und Lebensmittel.

STANDARD: Was machen Sie in Soroti konkret?

Kampmüller: Wir bieten seit Montag medizinische Betreuung an, vor allem für kranke und dehydrierte Kinder. Die lokalen Gesundheitsstrukturen werden mit diesen Menschenmassen nicht fertig. Wir bauen Latrinen, organisieren eine Art Frühwarnsystem gegen Massenkrankheiten wie Masern, bauen eine Wasserversorgung auf und Ähnliches. Es gibt für uns keinen regelmäßigen Tagesablauf, wir müssen und können schnell auf Probleme reagieren.

STANDARD: Wie lange bleiben Sie vor Ort?

Kampmüller: Wir sind hier zu dritt, die Ärztin bleibt drei Monate. Ich werde voraussichtlich vier Wochen als diplomierte Krankenschwester hier sein. Viele umliegende Orte wurden von den Rebellen in den letzten Tagen angegriffen, deshalb steht die Dauer nicht endgültig fest. Aber hier muss man sich nicht fürchten.

STANDARD: Worin liegen die Schwierigkeiten für österreichische Ärzte, wenn sie so einen Einsatz beginnen wollen?

Kampmüller: Eine kontinuierliche Karriere zu Hause wird durch einen solchen Einsatz unterbrochen oder möglicherweise sogar verbaut.

STANDARD: Warum?

Kampmüller: Die Schwierigkeit liegt im Freikommen, ohne die Chancen daheim völlig aufzugeben. Weiters ist es schwierig, eine medizinische Anerkennung dafür zu bekommen, dass man im Ausland gearbeitet hat.

STANDARD: Wie kann eine Lösung aussehen?

Kampmüller: Unsere Mitarbeiter leisten hoch qualifizierte medizinische Arbeit. Die Ärzte und Ärztinnen lernen aber hier Dinge, die durchaus zu Hause brauchbar sind. Zum Beispiel hier in Norduganda: Wir haben keine hoch technisierten Hilfsmittel, man ist auf die klinische Diagnose angewiesen, die man hier im Einsatz garantiert weiterentwickelt. Man lernt, mit wenigen Ressourcen gut auszukommen. Unsere Leute können sagen, dass sie flexibler geworden sind und im organisatorischen Bereich viel dazugelernt haben.

Wir brauchen auch dringend mehr Bereitschaft von den Verantwortungsträgern wie Spitalsleitungen oder den Spitalsträgerschaften im österreichischen Gesundheitssystem, Mediziner für Auslandseinsätze freizustellen. In Österreich wird immer geklagt, wir hätten selbst zu wenig medizinisches Personal. (Gerhard Plott, Der Standard, Printausgabe, 16.09.2003)