Wien - Laut Werner Doralt, Vorstand des Instiuts für Finanzrecht am Wiener Juridicum, ist ein Teil der Gelder, die Finanzminister Karl-Heinz Grasser für Vorträge erhalten hat, auf jeden Fall steuerpflichtig. Konkret sind dies jene vermutlich 25.000 Euro, die auf dem Treuhandkonto für Grassers Sozialstiftung liegen. "Das ist ihm zugeflossen, das müsste er versteuern", so Doralt im Gespräch mit der APA. Komplizierter ist der Fall bei den direkt an Bedürftige geleisteten Spenden.

Dabei geht es um Gelder, die von Unternehmen nach Grasser-Vorträgen für soziale Zwecke gespendet wurden. Wenn Grasser den Unternehmen lediglich gesagt habe, er wolle für die Vorträge kein Honorar, würde sich aber über Spenden freuen, wäre dies "sicher nicht steuerpflichtig", widerspricht Doralt der Argumentation der SPÖ. Anders gelagert wäre der Fall aus seiner Sicht allerdings, wenn Grasser mit den Unternehmen die Überweisung einer konkreten Summe für einen bestimmten Zweck vereinbart hätte.

"In dem Moment, wo ich den Betrag namhaft mache, ist das offensichtlich eine Vereinbarung", so Doralt. Hier bewege man sich in einer "Grauzone zur (steuerpflichtigen, Anm.) Honorarvereinbarung". Wenn beispielsweise jede Bank nach einem Grasser-Vortrag 7.500 Euro bezahlt hätte, "dann riecht das sehr nach Vereinbarung". Dies sei aber eine Frage der Beweiswürdigung und schwer nachweisbar.

Der Unterschied zum Steuerfall des Schauspielers Otto Tausig besteht für Doralt darin, dass Tausig die Spenden offenbar als Gegenleistung für Auftritte verlangt habe (Grasser bestreitet den direkten Zusammenhang zwischen seinen Vorträgen und den Spenden). Deshalb müsse Tausig diese Spenden als eigene Einnahmen versteuern, während seine Auftraggeber die Spenden als Betriebsausgabe steuerlich absetzen könnten. Im Fall Grasser seien die Spenden für die betroffenen Banken dagegen nicht steuerlich absetzbar. "Irgendwer muss immer Steuer zahlen", so Doralt. - Entweder die Bank oder der Finanzminister.

Auf jeden Fall müssten die Finanzbehörden laut Doralt eine etwaige Steuerpflicht des Finanzministers von sich aus prüfen. "Auf Grund der Zeitungsmeldungen müsste das Finanzamt von sich aus tätig werden", meint der Finanzrechler. Aus Erzählungen von Finanzbeamten wisse er, dass man im Ministerium zumindest früher "sehr genau die Zeitungen durchspürt hat, nach verdächtigen Steuerfällen". "Das Finanzamt hat von Amts wegen vorzugehen", so Doralt. (APA)