Der Entbindung entbunden - und auch des Rechts auf Abtreibung?
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Es tut sich einiges in der Arbeitswelt der NeonatologInnen und FortpflanzungsmedizinerInnen. Nach Jahren der erfolgreichen Praxis der In-Vitro-Fertilisation, die die Befruchtung außerhalb des Frauenkörpers möglich macht, wird jetzt an der Entwicklung der künstlichen Gebärmutter gearbeitet; künstliche Gebärmutterschleimhaut gibt es bereits. So könnte die Frau ebenso wie der Mann in naher Zukunft - WissenschaftlerInnen der Stanford University, der Cornell University sowie ein japanischer Forscher sprechen von fünf Jahren - zur DNA-Donatorin werden, und von den biologischen Funktionen Austragen und Gebären entbunden sein.

Einen distopischen Beigeschmack hat Fortschritt auf dem Gebiet der Humanbiotechnik und ihren Spezialgebieten für Außenstehende - aber im Fall der Ektogenese für AbtreibungsgegnerInnen in den USA nicht, wie "Pro-Choice"-Aktivistinnen nun befürchten, berichten New Republic Online und Telepolis.

In den 90ern wurden "Pro-life"-Organisationen, wie sich viele der Anti-Abtreibungs-Gruppierungen euphemisiert bezeichnen, mit Geldern unterstützt und zugleich Schwangerschafts-/Familienberatungen, die Abtreibung als Alternative sehen, ins Aus getrieben, eine Strategie, die zur Zeit weiterführt wird. An der Fristenregelung wird ebenso fleißig gesägt, und die Ektogenese bietet hier Vorschub für ein neues Argument gegen Abtreibung: Es wäre gegebenenfalls der Realisierung des reproduktionstechnischen Konzeptes nicht vertretbar abzutreiben, wenn die Möglichkeit bestünde, den Embryo bis zur selbständigen Lebensfähigkeit außerhalb des Uterus zu entwickeln. Zudem auch Abtreibung einen operativen Eingriff darstelle.

Das Gerichtsverfahren, dessen Ausgang Anfang der 70er Jahre die Fristenlösung in den USA ermöglichte, würde heute sehr wahrscheinlich anders entschieden, meinen die Pro-Choice-Gruppierungen. Das Recht der Frau auf persönliche Freiheit und Urteil ist im Schatten neuer Technologie und religiös motivierter Verortung des Lebensrechts in der bloßen Konzeption heute weniger schwer denn damals auszuhebeln, auch wenn dies die Degradierung der Frau auf biologisches Funktionieren-Müssen bedeutet. Eine gesellschaftspolitische Begründung einer derartigen Entrechtung würde sich in Zeiten der prognostizierten "freiwilligen" Geburtenrückläufigkeit und gleichzeitiger steigender ungewollter Kinderlosigkeit schon finden. Welche Gruppierungen letztlich ihre Interessen etablieren können, und somit auch welche Regelungen für künftige Abtreibungsgesetze durchgesetzt werden, wird sich zeigen - in frühestens fünf Jahren. (bto)