Was draufsteht, muss nicht immer drin sein. Unter Hubsi Kramars Lebendem Advent-kalender etwa, bei dem in der diesjährigen Voradventzeit zum zweiten Mal die Türchen geöffnet werden, steht groß: Die letzte Konsequenz des Konsums ist der Kannibalismus. Was drinnensteckt? Beim Erfindungsreichtum eines Hubsi Kramar ist das eine schwierige Frage.

Als sicher gilt nur, dass auch heuer wieder an vier Vorweihnachtstagen 24 Künstler ihre je eigenen Adventassoziationen präsentieren werden. Im Falle des Tanztheaters Homunculus, das nun - nach einer längeren gegenseitigen Beschnupperungsphase - erstmals an das Tanzquartier verpflichtet wurde, steht der Zweifel bereits im Titel: Alles gelogen nennt Manfred Aichinger sein neues Stück, in dem der Wiener Choreograf und (gemeinsam mit Nikolaus Selimov) langjährige Leiter der Homunculi ein Spiel rund um Vertrauen und Misstrauen entfesseln wird: "Das Publikum wird in besonderer Weise gefordert sein, da von Anfang an das Prinzip Zweifel herrscht."

Doch Aichinger, der schließlich aus dem Tanztheater kommt und mit einer konzeptualistischen Herangehensweise an Tanz nicht viel am Hut hat, beschwichtigt: "Es geht nicht darum, Festlegungen, die durch einen Titel vorgenommen werden, auf eine allzu intellektuelle Weise zu hinterfragen."

Es ist das sinnliche Spiel rund um voreilige Kategorisierungen und einrastende Rezeptionsmuster, das den Choreografen und seine neun Tänzer eher interessiert. Auch wenn am Ende dann vielleicht alles gelogen war. (hil/DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2003)