Dornbirn - Opfer sexueller Gewalt fühlen sich ohnmächtig, ihrer Würde beraubt. Oft wird die Tat aus Scham verschwiegen, aber auch weil das Opfer Angst vor einer weiteren Demütigung hat: Jener, vor der Öffentlichkeit als unglaubwürdig abgestempelt zu werden. Die jüngst in Vorarlberg bekannt gewordenen Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, die sich über Jahre erstreckten, zeigen: Betroffene und Angehörige wollen nicht, dass ihr Leid öffentlich wird und scheuen sich vor einer Anzeige.

"Der Grund liegt oft darin, dass sich Opfer schämen und schuldig fühlen, so paradox das klingen mag", sagt Ruth Rüdisser, Leiterin der IfS-Beratungsstelle Bregenz. Um Opfer von Gewalttaten zu unterstützen, bietet das Institut für Sozialdienste seit drei Jahren in Kooperation mit dem Justizministerium professionelle und kostenlose Prozessbegleitung an.

Die Betreuung reicht von der Erstberatung, in der weitere Schritte abgeklärt werden über die Vorbereitung und Begleitung von Einvernahmen bis zur Prozessbegleitung durch Anwältinnen. Ruth Rüdisser: "Von Ausnahmefälle abgesehen, raten wir prinzipiell zur Anzeige."

Die sollte möglichst sofort nach der Tat passieren, rät Werner Juen, stellvertretender Kripo-Chef, denn: "Wir können den Opfern weitere Einvernahmen oder Aussagen vor Gericht ersparen, wenn wir genügend Sachbeweise vorlegen können. Das wird aber umso schwieriger, je länger eine Straftat zurückliegt."

Angst vor Aussage

Obwohl den Opfern oft durch die so genannte kontradiktorische Einvernahme beim Untersuchungsrichter die Aussage beim Prozess erspart werden kann, sei sie immer wieder damit konfrontiert, dass Klienten und Klientinnen den Weg zum Gericht bereuen, sagt Rüdisser. Besonders schmerzhaft seien wiederholte Aussagen, Befragungen durch den gegnerischen Anwalt, langes Warten auf ein Urteil.

Über die Verbesserung des Opferschutzes und die Vermeidung weiterer Traumatisierungen des Opfers wird bei einer Fachtagung am 30. September in Schwarzach diskutiert. (jub, DER STANDARD Printausgabe 9.9.2003)