Archivbild aus dem Jahr 1986: Hier aufgebahrt liegen die Leichen von 18 Bauern, die vermutlich von Rebellen umgebracht wurden.

Lima - Die peruanische Wahrheits- und Versöhnungskommission zur Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen zwischen 1980 und 2000 geht von insgesamt fast 70.000 Todesopfern politisch motivierter Gewalt aus. Bei den meisten Opfern jener zwei Jahrzehnte handele es sich um Angehörige der ärmsten Schichten des Andenstaates. Das geht aus dem am Donnerstag in Lima veröffentlichten Abschlussbericht der Kommission unter Leitung des renommierten Philosophen und Universitätsrektors Salomon Lerner Febres hervor. Präsident Alejandro Toledo rief die Gesellschaft auf, sich mit dem Bericht ohne Vorurteile und Hass auseinander zu setzen.

"In die Zunkunft sehen"

"Ich rufe das Land auf, in die Zukunft zu sehen und der Vergangenheit mit Mut entgegenzutreten, damit wir versöhnt werden", sagte Toledo bei der Entgegennahme des Berichts. Dazu bedürfe es jedoch auch der Bekämpfung der Armut, fügte der Staatschef hinzu. Toledo sprach sich gegen Straflosigkeit und zugleich gegen Rache aus.

Lerner bezeichnete die letzten beiden Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts als "eine Zeit nationaler Schande". Die nackten Zahlen seien nicht geeignet, den "Horror und die Katastrophe für den Staat und die peruanische Gesellschaft" zu beschreiben. Es habe sich um systematische Menschenrechtsverbrechen gehandelt. Die Aufdeckung der Wahrheit sei eine unerlässliche Vorsorge gegen eine Wiederholung der Gewalt.

Terrororganisation: "Sendero Luminoso"

Die meisten Todesopfer habe es durch Aktionen der maoistischen Terrorgruppe "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad) in der am stärksten von Gewalt heimgesuchten Provinz Ayacucho 600 Kilometer südlich der Hauptstadt Lima gegeben. Auslöser der Gewalt sei jedoch die auch heute noch bestehende soziale Ungerechtigkeit gewesen, sagte Lerner.

Bei dem inzwischen sehr geschwächten Leuchtenden Pfad, dessen Anführer Abimael Guzman inhaftiert ist, handele es sich nicht um "Rebellen, weil sie den Staat nicht verändern, sondern zerstören wollen", sagte Lerner kürzlich in einem Interview. Ihre Ideologie sei höchstens mit der des Terrorregimes von Pol Pot in Kambodscha zu vergleichen.

Der Leuchtende Pfad hatte das Land in den 80er Jahren an den Rand des Zusammenbruchs gebracht und zeitweise die Eroberung von Lima versucht. Die kleinere linke Rebellengruppe Tupac Amaru (MRTA), die zuletzt 1996/97 durch die monatelange Geiselnahme in der japanischen Botschaft in Lima von sich reden machte, verschärfte die Lage weiter.

"Schmutziger Krieg"

Aber auch das Militär und die Polizei hätten sich während des "schmutzigen Krieges" gegen den Leuchtenden Pfad systematische Menschenrechtsverbrechen zu Schulden kommen lassen. Überlebende hatten von der systematischen Vergewaltigung von Frauen und der Ermordung ganzer Dorfgemeinschaften durch das Militär berichtet. In dem Bericht werden Presseberichten zufolge etwa 100 frühere Uniformierte genannt, gegen die Strafverfahren eröffnet werden sollten.

Schon vor der Veröffentlichung des Berichts hatten die Ergebnisse zweijähriger Befragungen von Opfern, Zeitzeugen und Tätern sowie der Sichtung zehntausender Dokumente und Fotos zu innenpolitischem Streit geführt.

Vor allem Anhänger der drei Präsidenten jener Jahre, dem konservativen Fernando Belaunde (1980-1985), dem sozialdemokratisch ausgerichteten Alan García (1985-1990) und dem extrem rechten Alberto Fujimori (1990-2000), wehrten sich gegen Vorwürfe und bezichtigten Kommissionsmitglieder verdeckter Sympathien für die Rebellen. Das Militär solle mit den linken Gruppen auf eine Stufe "herabgewürdigt" werden.

(APA/dpa)