automata inak, 2003, © reMI

Kunstlerhaus
72 nationale wie internationale Kunstschaffende der jüngeren Generation verschränken unter diesem Begriff spannend konzeptuelle Zusammenhänge zwischen den Disziplinen. Wien - Tonnenschwer liegt das Malerei-Erbe auf den Schultern, trotzdem entsteht unermüdlich immer wieder ein "Bild nach dem letzten Bild". In den vergangenen Jahren füllen sich Ausstellungshallen weltweit auffällig oft mit Malerei, mit figurativer ( Painting on the Move , " Lieber Maler . . ." ). "New Spirits in Painting" könnten schon den ganzen Kunsthimmel füllen. Fotorealistisch zu malen etwa, vor einem Jahrzehnt so gut wie verpönt, liegt heute zwischen hip und Mainstream, auch eine Reverenz an den an der allgemeinen Konjunkturschwäche leidenden Markt.

"Malergenies" wie in den 80er-Jahren sind eine aussterbende Gattung. Vielmehr bildet sich eine junge, oftmals mit Pseudonymen kodierte Generation, die ein quasi natürliches Verhältnis zu den neuen Medien aufbringt. Und die, bedingt durch die allgemeine Computerisierung, Allroundkünstler sind, als Grafiker, Maler, Progammierer, Videoartisten.

So einer ist Norbert Pfaffenbichler, Jahrgang 1967, mit Sandro Droschl Kurator und Ideengeber für die aktuelle Abstraction Now im Künstlerhaus. Eine Spur spät, aber gerade noch rechtzeitig haben sie die bereits vor drei Jahren konzipierte Schau mit 90 Beiträgen von 72 Kunstschaffenden fertig gestellt. Hinter dem fast professoralen, epochalen Titel verbirgt sich ein augenzwinkernder, spielerischer Umgang mit dem Begriff nonfigurative Kunst und dessen Geschichte.

Das fängt schon einmal beim Boden an. Einzelne Arbeiten, allesamt eine Gegenüberstellung von internationalen Größen wie Sarah Morris oder Carsten Nicolai mit auffallend guten und größtenteils unbekannten heimischen Künstlern, teilen Bodenlinien. Das gibt den Riesenräumen Pepp und Struktur. Ein - auch aus der Geldnot geborener - Schachzug der Architekten Pretterhofer"Spath.

Abstraktion dient als Ausgangspunkt, der so aussehen kann, dass ein riesiges Raummodul von "farmersmanual" völlig unauratisch zum Bewegen oder Beklettern rumsteht. Oder dass ein per Internet gefundener Schweizer Grafiker Teile seiner "Fehlersammlung" (Töne, Kopien, Fotos) präsentiert, dass Grafiker wie "norm" (CH) einen Sign Generator basteln. Abstraktion kann aussehen wie ein Bücherregal, nur ist es einmal ein mit Silberschicht versehener Minimalismus-Anklang von Georg Tagwerker. Oder die vermeintlichen Regalordner stellen sich als ComputerScroll-Leisten heraus wie beim originellen Beitrag des Niederländers Jan Robert Leegte.


Form mit Norm

Die Fotografie produziert beispielsweise extreme Nahsichten von Banalem (Lisa Holzer). Schon Josef Albers hatte für seine Bilder normierte Industriefarben verwendet. Viel mehr noch gehen die heutigen Künstler von Industriestandards aus, so etwa von der vorgegebenen, normierten Farbpalette von Computerbetriebssystemen wie bei Pfaffenbichler/Schreiber. Der Kurator, ehemaliger Medienstudent, gelangte über eigene Cyberpunk-Filme zu mehr analytischen Arbeiten (u. a. für Musiker Christian Fennesz) und betreute eine Zeit lang die "Austrian Abstracts"-Filmreihe für die Diagonale.

Mit dem Raum verklammern ihre monochromen Flächen etwa Liam Gillick, die Berlinerin Doris Marten sowie die Pistoletto-Schülerin Lisa Lyon, die ihre Platten respektlos-keck auf Rollen daherführt. Walker/Hill heften ihre Abstraktionen zusammen: Normblätter fixieren sie mit Pressklammern; die Sicht auf die Kanten ergibt Bild wie Skulptur.

Wenn so Abstraction now aussieht - dann her damit. Klug, kühn, lebendig, voller Rückbezüge auf die Großen und ohne Albernheit. Im Verein mit dem von Lia sowie Miguel Carvalhais zusammengesetzten Internet/Medialounge-Projekten, dem Kinoprogramm Maths in Motion im Künstlerhaus-Kino bis dato Österreichs Ausstellungsereignis des Jahres. (DER STANDARD; Printausgabe, 29.08.2003)