Nun macht es durchaus Sinn, erfahrenere Arbeitskräfte besser zu entlohnen. Der Wert der Erfahrung wird nur allzu oft unterschätzt. Doch ist es unbestreitbar, dass die Lernkurve zu Beginn rasch ansteigt, weil Neues gelernt und Erfahrung tradiert wird und später abflacht. Darüber hinaus sind jüngere MitarbeiterInnen üblicherweise mit neuen Technologien eher vertraut oder eignen sich Kenntnisse rascher an. Dementsprechend sollte auch die Lohnkurve zu Beginn des Erwerbslebens wesentlich rascher wachsen und das Wachstum später abflachen.
Verschärft wird die Situation durch die Pensionsreform. Die Pensionshöhe hängt durch den 40-jährigen Durchrechnungszeitraum auch vom Verdienst in jungen Jahren ab. Die Deckelung der Verluste gilt zudem für junge ArbeitnehmerInnen nicht. Die Zeiten schlechter Entlohnung in jungen Jahren führen zu geringen Pensionen. Nur rasch verwirklichte massive Lohnerhöhungen für jüngere ArbeitnehmerInnen können einen Teilausgleich und mehr Gerechtigkeit schaffen. Das verlangt auch die ab 2004 gültige EU-Richtlinie zur "Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf", die ein Verbot der (Lohn-)Diskriminierung aufgrund des Alters vorsieht.
Gut für die Wirtschaft
Für die Konjunktur ist eine kräftige Lohnerhöhung für junge ArbeitnehmerInnen eine längst überfällige Spritze. Junge Menschen haben üblicherweise eine Reihe von Anschaffungswünschen, und die Familiengründung fällt häufig in diese Lebensphase: Kinder, Wohnung, Einrichtung und ein hohes Mobilitätsbedürfnis führen dazu, dass junge Menschen im Durchschnitt wenig sparen. Einkommenszuwächse werden konsumiert und kurbeln die Wirtschaft an, während ältere Menschen im Durchschnitt eine höhere Sparneigung aufweisen. Lohnerhöhungen unterstützen die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, da Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge mit den Löhnen steigen. Ältere ArbeitnehmerInnen profitieren von Lohnerhöhungen für Jüngere, indem sie vor einer lohnbedingten Verdrängung aus dem Arbeitsmarkt – also vor Altersarbeitslosigkeit – besser geschützt sind.
Ältere müssen deshalb aber keine Einbußen in der Lohnentwicklung befürchten, denn Spielraum für höhere Löhne ist reichlich vorhanden. Der Spielraum, den sich die ArbeitnehmerInnen in den letzten Jahren – im wahrsten Sinne des Wortes – erarbeitet haben, sollte nun für die Jüngeren und Frauen genutzt werden.
Österreichs Lohnentwicklung ist im Vergleich zur EU seit Jahren bescheiden. Im vergangenen Jahr war Österreich sogar europäisches Schlusslicht. Hingegen wuchs die Produktivität rasch. Die Lohnstückkosten – – sinken seit vielen Jahren.In keinem anderen hoch entwickelten Land und in keinem unserer östlichen Nachbarstaaten sind die Lohnstückkosten in Industrie und Gewerbe – das sind die Arbeitskosten je produzierter Einheit, ein sehr bedeutender Indikator für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit eines Landes – seit Mitte der neunziger Jahre so stark gesunken wie in Österreich. Die steigende internationale Wettbewerbsfähigkeit machte Österreich im vergangenen Jahr zum Europameister bei den Exporten: Kein Land der EU konnte seine Ausfuhren so stark steigern wie Österreich.
Gleichzeitig schleppen wir uns seit drei Jahren am Rande der Rezession dahin. Dass Österreich seit 2001 von der wirtschaftlichen Überholspur auf den Pannenstreifen gewechselt hat, liegt an der schwachen Inlandsnachfrage, die durch das gefährliche Gemisch einer prozyklischen Wirtschaftspolitik, einer Steuerpolitik, die tief in die Taschen der ArbeitnehmerInnen greift, und bescheidenen Lohnabschlüssen gebremst wird. Als Ergebnis dessen ist das Nettoeinkommen pro ArbeitnehmerIn 2003 deutlich geringer als noch 2000.
Aus für Bescheidenheit