Wien/Den Haag - Europol, die Sicherheitsbehörde der Europäischen Union mit Sitz in Den Haag, schlägt Alarm: "Immer mehr Menschen werden in Machenschaften der organisierten Kriminalität involviert", heißt es im jüngsten Lagebericht der Analysten. Zurzeit seien in der Union rund 3000 kriminelle Gruppierungen mit mindestens 30.000 Mitgliedern aktiv, so die "bewusst vorsichtige" Einschätzung von Europol.

In jüngster Zeit habe, was die Zusammenarbeit krimineller Banden betreffe, eine Paradigmenwechsel stattgefunden: die von früher bekannte Homogenität ethnischer Gruppierungen sei im Verschwinden, immer öfter komme es zu "gemischten Kooperationen", heißt es weiter im Report von Europol. Zum Beispiel sollen sich albanische, chinesische und türkische Tätergruppen zusammengeschlossen haben. Auch die Konzentration auf bestimmte Deliktsparten sei nicht mehr vorhanden. Für Menschenhandel, Drogenschmuggel oder Schlepperkriminalität würden oft dieselben Strukturen verwendet.

Terrorverbindungen

Jüngste Analysen im heimischen Bundeskriminalamt (BK) haben zudem "erkennbare Verbindungen" zwischen der klassischen organisierten Kriminalität und Terrororganisationen ergeben. "Die beiden, von der Definition her unterschiedlichen Bereiche haben einen gemeinsamen Nenner: Geldwäsche", sagt Erich Zwettler vom BK im STANDARD-Gespräch.

Trotz dieser kriminellen Symbiose seien die jeweiligen Ziele weiterhin höchst unterschiedlich. Zwettler: "Organisierte Kriminalität ist meist unpolitisch und will verborgen bleiben, Terroristen hingegen haben politische oder religiöse Motive und bekennen sich zu Gewalttaten."

Verbrechersyndikate aus dem Ausland haben in Österreich folgende Sparten fest im Griff: Suchtmittelhandel, Schlepperei, Menschenhandel sowie Falschgeldkriminalität. "Und organisierte Eigentumsdelikte", fügt Zwettler hinzu. Einbrüche und Diebstähle würden zwar nicht zur so genannten qualifizierten organisierten Kriminalität gezählt. Doch die momentan in Österreich verstärkt gemeldeten Coups erfüllten klassische Merkmale wie Planung, Hierarchie und Arbeitsteilung. Wie auch in weiten Teilen Europas habe man es hauptsächlich mit rumänischen, polnischen und italienischen Banden zu tun. "Das geht bis zum bestellten Großdiebstahl von Laptops", nennt Zwettler ein Beispiel aus jüngster Zeit.

Gegen die fortschreitende Internationalisierung der Kriminalität ist nur ein Kraut gewachsen: länderübergreifende Polizeizusammenarbeit. Innenminister Ernst Srasser forciert deswegen das Netz von Verbindungsbeamten im Ausland. Derzeit sind Beamte in 14 Ländern stationiert. Die vom Außenministerium mitfinanzierten Spezialisten, die meist in den österreichischen Vertretungen ein fixes Büro haben, liefern strategische und taktische Empfehlungen. In künftigen EU-Mitgliedsländern sollen sie außerdem an der Heranführung an EU- Standards mitwirken. (Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 28.8.2003)