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Der britische Regierungschef Tony Blair (re.) und sein bereits angeschlagener Verteidigungsminister Geoff Hoon (li.) müssen diesen Mittwoch und Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.

Foto: REUTERS/Jeff J Mitchell
London - Die Stunde der Wahrheit dürfte für Tony Blair im Zeugenstand schlagen. Der britische Regierungschef und sein bereits angeschlagener Verteidigungsminister Geoff Hoon würden an diesem Mittwoch und Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Kelly-Affäre in die Mangel genommen, wie britische Zeitungen meinen. Rede und Antwort sollen die beiden "Starzeugen" zu ihrer Rolle in der Tragödie um den Selbstmord des international angesehenen Waffenexperten und Regierungsbeamten David Kelly im Juli stehen.

"Tauch"-Urlaub

Während der ersten zwei Wochen der Untersuchung von Lordrichter Brian Hutton waren Blair und Hoon in den Urlaub abgetaucht, der eine in die Karibik, der andere nach Kalifornien. Der Premierminister vergrub sich dem Vernehmen nach gleich nach seiner Rückkehr am vergangenen Wochenende mit seinen Beratern in den Akten, um sich auf seine Vernehmung am Donnerstag um 11.30 Uhr im Gerichtssaal 73 am Londoner High Court vorzubereiten.

Bisher war von Tony Blair selbst inhaltlich so gut wie nichts zu hören zum Tod des früheren UNO-Waffeninspektors im Irak, der als Quelle für einen BBC-Bericht diente, der zu einer tiefen Regierungskrise führte. In dem Bericht war der Regierung vorgeworfen worden, ein Dossier über die Gefahr der angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins aufgebauscht zu haben, um so den Krieg gegen den Irak besser vor einer kritischen Öffentlichkeit rechtfertigen zu können. Kelly geriet zwischen die Fronten des verbalen Schlagabtausches zwischen der BBC und Downing Street. Er schnitt sich die Pulsadern auf, nachdem sein Name an die Öffentlichkeit durchgesickert war.

Nach Berichten vom vergangenen Wochenende soll Blair im Streit um den Waffenexperten eine führende Rolle gespielt und sich persönlich dafür eingesetzt haben, den Namen Kellys publik und den Wissenschaftler so mundtot zu machen. Der Unterhausabgeordnete Jeremy Corbyn vom linken Flügel der Labour-Partei sprach bereits von Blairs "Watergate" in Anspielung auf die Affäre um US-Präsident Richard Nixon vor 30 Jahren. Nixon musste gehen.

Fraglich, ob Blair um sein Amt bangen muss

Doch ob Blair tatsächlich um sein Amt fürchten muss, ist mehr als fraglich. Denn es gibt nach den Worten des Labour-Abgeordneten Fabian Hamilton mit Verteidigungsminister Hoon bereits ein "Opferlamm". "Wenn die Regierung in wirklichen Schwierigkeiten ist, wird jemand ausgesucht, um den Premierminister aus der Schusslinie zu nehmen", sagte Hamilton. Und der scheint schon gefunden, denn um den Rücktritt Hoons wird seit Wochen spekuliert.

Hoons Staatssekretär Kevin Tebbit hatte erst vor wenigen Tagen vor dem Ausschuss ausgesagt, der Minister habe auf die Veröffentlichung von Kellys Namen gedrängt. Und auch die Witwe Kellys, Janice, warf dem Verteidigungsministerium, wo ihr Mann arbeitete, vor, Kelly unter Druck gesetzt zu haben. Hoon, der an diesem Mittwoch vernommen wird, hat bisher alle Vorwürfe von sich gewiesen.

Scarlett: Geheimdienst bezog Wissen aus dem Irak

Laut dem Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses, John Scarlett, beruhen die Aussagen der britischen Regierung auf Erkenntnissen irakischer Informanten. Ein "hochrangiger und verlässlicher Iraker" habe die Information geliefert, dass irakische Massenvernichtungswaffen innerhalb von 45 Minuten einsatzbereit seien, sagte Scarlett am Dienstag bei der Anhörung durch die Untersuchungskommission.

Der Iraker "war in einer Stellung, in der er von dieser Information Kenntnis haben konnte". Der britische Geheimdienst habe die Aussagen aus dem Irak geprüft und sei zu dem Schluss gekommen, dass sie in Einklang mit bestehenden Erkenntnissen stünden, sagte Scarlett.

Genauere Angaben zu dem irakischen Informanten machte Scarlett nicht. Scarlett schob damit die Verantwortung für die strittige Aussage an einen unbekannten Adressaten im Irak weiter, nachdem er in der vergangenen Woche selbst den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen hatte: Der Kommunikationschef von Premierminister Tony Blair, Alastair Campbell, hatte vor dem Untersuchungsausschuss jeden Einfluss auf den Inhalt des Geheimdienstdossiers bestritten und Scarlett als den Alleinverantwortlichen benannt. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Geheimdienstausschusses hatte Scarlett die Federführung bei der Herausgabe des Geheimdienstdossiers.

Letztlich ist es die Aufgabe von Richter Hutton aufzuklären, warum sich Kelly das Leben genommen hat. Der Kommentator der angesehenen "Financial Times" aber sieht die eigentlichen politischen Kernfragen durch den Untersuchungsausschuss nicht berührt: "War die Rechtfertigung für den Krieg ausreichend? Und was ist mit den irakischen Waffen geschehen?" (APA/dpa)