Montage: derStandard.at
Berlin - "Die Alten kommen. Das stimmt. Trotzdem werden die Jungen im Luxus leben. Die 'demografische Katastrophe' ist eine Einbildung. Aber sie ist nützlich - für die Reichen", schreibt die deutsche "tageszeitung" (taz) (Dienstag-Ausgabe). Das Jahr 2050 werde nicht "furchtbarer" sein als das Jahr 2003, "denn die Zukunft ist längst Gegenwart: Auch jetzt schon finanziert ein Erwerbstätiger mindestens einen Nichterwerbstätigen. 82,5 Millionen Menschen leben momentan in Deutschland, aber nur 38 Millionen arbeiten als Selbstständige und Angestellte."

"Düstere Fantasien"

Die alle Rentendebatten dominierende Schreckenszahl - "2050 wird ein Erwerbstätiger einen Rentner finanzieren müssen" - rege düstere Fantasien an: "Die Jüngeren sehen es genau vor sich: Die munteren Rentner sonnen sich auf einem Kreuzfahrtschiff vor Teneriffa, während der eigene Nettolohn nicht einmal mehr für einen Campingurlaub an der Ostsee reicht. Da kommen Neid und Panik auf, der 'Generationenkrieg' wird ausgerufen".

"Vom Wachstum hat am meisten, wer Kapital besitzt"

"Wieso kann eine sinnlose Generationendebatte dermaßen dominieren? Da ist zunächst die Psychologie: Es macht für die Erwerbstätigen einen emotionalen Unterschied, welche Nichterwerbstätigen sie finanzieren - ob es ein anonymer Rentner ist oder die eigene Ehefrau, die zu Hause bleibt, um die Wohnung zu putzen und die gemeinsamen Kinder aufzuziehen. Vor allem aber toben reale Verteilungskämpfe - allerdings nicht zwischen Alt und Jung, sondern zwischen Arm und Reich. So ist es zwar eine interessante Information, dass das volkswirtschaftliche Prokopfeinkommen weiter stark zunehmen wird. Aber das bedeutet eben noch lange nicht, dass jeder real existierende Kopf gleichermaßen profitiert. Vom Wachstum hat am meisten, wer Kapital besitzt. Ob dies nun Aktien, Geldvermögen oder Immobilien sind. Diese Eigentümer werden nicht herangezogen, um die zunehmende Rentnerschar zu finanzieren. An der 'lohnzentrierten Finanzierungsweise' der Altersbezüge rüttelt die Rürup-Kommission nicht."

"Volkswirtschaftlich wichtig ist das Grundphänomen: Schon jetzt wird nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung gebraucht, um den gesellschaftlichen Reichtum zu erwirtschaften. Wir können uns also die vielen künftigen Rentner locker leisten, wenn dafür andere Gruppen arbeiten, wie Mütter und Erwerbslose, die bisher vom Berufsleben fern gehalten werden. Nun wäre es jedoch ein Irrtum, anzunehmen, dass künftig jede Frau in die Produktion abkommandiert würde. Oh nein. Nur 49 Prozent der erwerbsfähigen Frauen werden 2030 arbeiten. Das bedeutet: Auch in 27 Jahren werden in Deutschland immer noch weniger Frauen berufstätig sein als heute schon in Skandinavien. Eine 'demografische Katastrophe' sieht anders aus, da wären solche Reservearmeen am Herd nicht mehr denkbar."

"Soziale Katastrophe"

Wenn man die Rentenversicherung isoliert betrachte, dann sehe es in der Tat so aus, als müssten wenige Junge viele Alte versorgen. "Dann ist an eine Rendite nicht mehr zu denken. Also hat die Rürup-Kommission den Rentenbeitrag bei 22 Prozent gedeckelt und die Renten gesenkt. Die bizarre Konsequenz: Obwohl die Zahl der Rentner steigt, werden die Lohnnebenkosten sinken, wie die Rürup-Kommission freudig prognostiziert. Denn die Arbeitslosenversicherung kann man ja ab 2020 zusammenstreichen, wenn die Vollbeschäftigung einsetzen soll. Solidarisch wäre, diese freien Mittel in die Rentenkassen umzuschichten, um dort die Altersbezüge der Ärmsten aufzupäppeln. Solidarisch wäre auch, Zinsen und andere Kapitaleinkünfte heranzuziehen, ohne dass dies die Rentenansprüche der Einzahler steigen lässt. Aber beides würde dem herrschenden Renditenprinzip widersprechen. Mit der neuen Rentenformel kann bestens leben, wer gut verdient. Dann ist auch weiterhin eine anständige Rente zu erwarten; außerdem fällt es leicht, privat vorzusorgen. Die Verlierer sind jenes Drittel der Gesellschaft, das schon jetzt nicht genug hat, um zu sparen. Das ist keine demografische Katastrophe, sondern eine soziale." (APA)