Ausgezeichnet mit dem Nebula Award für den besten Roman: "Ancillary Justice" von Ann Leckie. 2015 wird der Roman als "Die Maschinen" auf Deutsch erscheinen:

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Zum besten SF-Film 2013 gekürt: Alfonso Cuaróns Astronauten-Drama "Gravity" mit Sandra Bullock in der Hauptrolle.

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Kein Gewinner bei den Nebulas, aber immer wieder schön anzuschauen: Der Star aus "Pacific Rim".

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San Jose - Mit Ann Leckies "Ancillary Justice" haben die Mitglieder der Science Fiction and Fantasy Writers of America (SFWA) einen der wenigen SF-Romane ausgezeichnet, auf die sich im vergangenen Jahr nahezu alle einigen konnten. Zugleich wurde die am Wochenende im kalifornischen San Jose abgehaltene Verleihung der Nebula Awards - gewissermaßen die Oscar-Gala der Science-Fiction-Literatur - zu einem Triumph der Frauen: Die Preise in sämtlichen literarischen Kategorien gingen an Autorinnen.

Bester Roman

"Ancillary Justice" ist eine Rachegeschichte im Rahmen einer Space Opera: Die Protagonistin Breq dient(e) einem auf Expansion ausgerichteten galaktischen Imperium, und das in mehrfacher Weise. Einst fungierte sie als steuernde Intelligenz eines Raumschiffs und zugleich von dessen untoter Ladung - einem Kollektiv von Soldaten, die aus technisch aufgemotzten Leichen konstruiert wurden. Irgendetwas ist seit dieser Zeit aber schiefgegangen: Auf der Gegenwartsebene ist Breq nur noch als Bewusstseinsfragment im Körper eines dieser zombifizierten Soldaten, eines "Ancillary", vorhanden.

Die US-amerikanische Autorin Ann Leckie hatte bislang nur kürzere Erzählungen veröffentlicht. Für ihren Debütroman griff sie Motive aus der SF-Geschichte auf, wie man sie von Joe Haldemans "Ewigem Krieg" über John Scalzi und Iain Banks bis zu Anne McCaffreys "Gehirnschiff"-Zyklus kennt. Neben der äußeren militärischen Handlung spielen aber auch Gender- und Identitätsfragen eine große Rolle im Roman, was entscheidend zu seinem Erfolg bei Lesern und Kritikern beigetragen hat. Und sich unter anderem darin niederschlägt, dass Breqs Kultur keine geschlechtsbezogenen Pronomen kennt und die Leser nicht immer erraten können, wann sich hinter den durchgängig als "sie" bezeichneten Romanfiguren tatsächlich eine "sie" oder doch ein "er" verbirgt.

Die Konkurrenz

"Ancillary Justice" wird 2015 unter dem Titel "Die Maschinen" bei Heyne auf Deutsch erscheinen. Das war vom heuer mit acht Kandidaten recht umfangreichen Startfeld bislang nur einem Buch vergönnt: Der historische Fantasyroman "The Golem and the Jinni" von Helene Wecker ist 2013 als "Golem und Dschinn" bei Hoffmann und Campe erschienen. Im kommenden Oktober wird mit Neil Gaimans Schauerroman "The Ocean at the End of the Lane" bei Eichborn ein weiterer Nebula-Kandidat veröffentlicht werden ("Der Ozean am Ende der Straße").

Zu den weiteren von Leckie aus dem Feld geschlagenen Romanen gehören die ungewöhnliche Familiengeschichte "We Are All Completely Beside Ourselves" von Karen Joy Fowler (mit einer Schimpansin, die sich für ein menschliches Mädchen hält), der interstellare Spionagethriller "Fire with Fire" von Charles E. Gannon und "The Red: First Light" von Linda Nagata - Military SF, die aber nicht im All, sondern auf der Erde der nahen Zukunft angesiedelt ist. Dazu kommen zwei Fantasy-Geschichten jenseits stereotyper Plots: "Hild" von Nicola Griffith erzählt die Geschichte der Heiligen Hilda von Whitby aus dem siebten Jahrhundert, "A Stranger in Olondria" von Sofia Samatar schwelgt als Reise durch eine Fantasy-Welt in verschwenderischer Pracht.

Bester Film: "Gravity"

Einen ungleich höheren Bekanntheitsgrad als sämtliche Romane haben die Kandidaten im Filmbereich, wo die Phantastik - anders als in der Literatur - fester Bestandteil des Mainstreams ist (und soweit es Hollywood betrifft, nahezu schon den gesamten Mainstream ausmacht). Ironischerweise erhielt den Ray Bradbury Award genannten Preis in dieser Kategorie ausgerechnet das Werk, bei dem die Zuordnung zur Science Fiction noch am schwammigsten ist: Alfonso Cuaróns Astronauten-Drama "Gravity" ist schließlich nicht allzuweit vom aktuellen Stand der real existierenden Raumfahrt entfernt.

Leer gingen das Kaijū-Epos "Pacific Rim" von Guillermo del Toro, Spike Jonzes Computer-Romanze "Her", der zweite Teil der "Tribute von Panem"-Reihe ("Catching Fire") und Sebastián Corderos SF-Film "Europa Report" aus. "Europa Report" handelt von einer Expedition zum gleichnamigen Jupitermond und ist bei uns nur auf DVD erhältlich. Und wie jedes Jahr war auch heuer wieder die TV-Serie "Doctor Who" mit einer Folge vertreten.

Kurz und bündig

Primär sind die Nebulas aber ein Literaturpreis - neben der Romankategorie gibt es daher noch Auszeichnungen für die verschiedenen Kurzformate. Wie schon erwähnt, gingen auch diese heuer allesamt an Autorinnen - ein starkes Signal, ob geplant oder nicht. ''The Weight of the Sunrise" von Vylar Kaftan (erschienen im Magazin "Asimov's Science Fiction" und hier als PDF zu lesen) wurde als beste Novelle ausgezeichnet - eine Alternativweltgeschichte, in der das Reich der Inka nie von den Europäern erobert wurde.

Den Nebula für die beste Kurzgeschichte erhielt Rachel Swirskys originelle und zugleich berührende Liebeserklärung "If You Were a Dinosaur, My Love". In der Kategorie der längenmäßig zwischen Novelle und Kurzgeschichte angesiedelten Novellette gewann "The Waiting Stars" von Aliette de Bodard, ursprünglich in der Anthologie "The Other Half of the Sky" erschienen: eine weitere Weltraumgeschichte aus de Bodards "Xuya"-Universum.

Eine große Familie

Nominell kein Nebula, wurde auf der Gala zudem der Andre Norton Award in der Kategorie Phantastik für junge Leser vergeben. Hier gewann der Roman "Sister Mine" der jamaikanischen Autorin Nalo Hopkinson: Trotz seiner mythologischen Elemente im Kern erneut eine Familiengeschichte, was heuer fast so etwas wie einen kleinen thematischen Schwerpunkt zu bilden schien.

Die SF-Familie selbst ehrte indessen einen ihrer ganz Großen: Als einer der Höhepunkte auf der Nebula-Gala wurde Altmeister und mehrfacher Nebula-Preisträger Samuel R. Delany ("Dhalgren", "Nimmèrÿa") mit dem Damon Knight Grand Master Award ausgezeichnet. (Josefson, derStandard.at, 18. 5. 2014)