Fast wäre es im Wurstkessel un­tergegangen, dabei kommt es nicht alle Tage vor, dass der Chefredakteur der "Presse" zum Aufstand ruft. Die Steuern müssen runter, forderte er vor einer Woche im Blattaufmacher und konnte das auch begründen. Die Steuerbelastung hat ein derart unerträgliches Ausmaß angenommen, dass von sozialem Frieden keine Rede mehr sein kann. Damit schlug er sich rückhaltlos auf die Seite der revolutionären Kräfte, soweit behördlich konzessioniert. Gerechterweise sind es aber ausgerechnet die Sozialdemokraten (und die einflussreichen sozialdemokratischen Kolonnen in der ÖVP, die außer ihm noch niemand gesehen hat), die für eine rasche Steuerreform kämpfen.

Ob der Vorgänge beim Song Contest wollte der revolutionäre Funke nicht gleich aus der Redaktion der "Presse" auf die Massen überspringen, obwohl es der Chefredakteur nicht unterließ, die Schuldigen am Elend des Volks zu brandmarken. Die ÖVP hingegen mauert und spricht von einer Steuerreform, die wir uns erst leisten müssen: Vorher müsse das Budget in den Griff bekommen werden, dann könnte man die Einnahmen senken. Hallo? Und schließlich fiel der Name des Mannes, dem der von Nowak gebündelte Volkszorn galt: Das ÖVP-Geiseldrama ist aber nicht unser Problem, sondern das von Michael Spindelegger.

Auf diese Vizekanzlerweglegung reagiert der Weggelegte drei Tage später im "Kurier" beweglich. "Springen wir jetzt alle über unsere Schatten", steigerte er sich in seinem Entfesselungsbestreben zur Raserei, musste aber, als die Rede auf Beamtenchef Neugebauer kam, kleinlaut zugeben: Ja, das ist
ein großer Schatten.
Doch die Hoffnung lebt. Wir organi­sieren jetzt das Frühlingserwachen der Bundesregierung und ziehen in diesem Jahr die Reformen durch. Egal, was "Die Presse" schreibt.

Die wichtigste Nachricht der Woche erreichte die Öffentlichkeit dann aber doch wie jeden Tag aus "Österreich". Wurst ist nackt im Netz ein Hit! Das musste kommen. Ebenso, wie die neue Taktik, sich gegen den Verdacht der Homophobie zu verwahren, indem man für ein ohnehin nie infrage gestelltes Recht eintritt, Conchita Wurst auch nervig finden zu dürfen. Führend in diesem Kampf betätigt sich wieder einmal Michael Jeannée. Kann die "Kronen Zeitung" aus Geschäftsgründen am Rummel um die Contest-Siegerin nicht vorbei, will aber doch beweisen, dass sie ihrer Nebenfunktion als Kirchenblatt gerecht wird, läuft er zu Tiefstform auf nach der Maxime: Darf ich schon den Esel nicht hauen, haue ich den Sack.

Mittwoch ging es gegen Alfons Haider. Der sei von der Norma­lität leider weit entfernt, wenn Sie Montagabend in der "ZIB 2" aufgeregt ihr "Outing" zum 350. Mal thematisieren ... aufgewühlt von Rotz und Wasser faseln, dass Sie geweint haben, als Conchita den Contest gewann ... und mir feige und vorsichtig verklausuliert – Homophobie in meiner Kolumne vorwerfen. Die Verklausulierung war vielleicht ein Fehler, bei ­jemandem, der sein "Outing" sechsmal in der Woche thema­tisiert, kann sich jeder ja selbst ein Bild machen, und rasch wird klar, worum es geht. Kann ich den mittelmäßigen Entertainer und schlechten Schauspieler Alfons Haider kritisieren, ohne als homophob zu gelten? Jeannée meint: Hoffentlich! Wir meinen: Nicht unbedingt. Sich vom Verdacht der Homophobie durch nichts anderes reinigen zu wollen, als dass man andere Personen ohne sachliche Begründungen heruntermacht, bestätigt diesen Verdacht eher, statt ihn zu zerstreuen.

Einen Tag später fokussierte Jeannée sein Bemühen, den Verdacht der Homophobie von sich abzuwehren, auf Sibylle Hamann, die in der "Presse" zum Thema Männlich oder weiblich? geschrieben hatte: Du musst dich nicht entscheiden. Man denkt und handelt nicht als Mann oder Frau, sondern vor ­allem als Individuum. Damit machte sie es jemandem, der
um keinen Preis homophob sein will, natürlich schwer, sich im Leben zu orientieren. Die Eigenschaften, die den Unterschied zwischen Männlein und Weiblein ausmachen, die der Mann an der Frau und die Frau am Mann schätzt, die seit Adam und Eva die Basis der Liebe sind: nur noch was für Spießer von gestern! jammerte der Phobe. Um gleich wieder persönlich zu werden. Frau Hamann wurde vor kurzem mit dem renommierten Kurt-Vorhofer-Preis ausgezeichnet. Als "Opinion Leader". Der Herr Vorhofer rotiert vermutlich im Grab. Ganz bestimmt, Frau Jeannée. (Günter Traxler, DER STANDARD, 17./18.5.2014)