Alles sehr farbenfroh im neuen Latino-Restaurant Mercado am Wiener Stubenring.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Tiradito vom Lachs mit Yuzu, Knoblauch und Chipotle-Chilis - attraktiv, aber auch extrascharf mariniert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es scheint, als könnten manche nie genug um die Ohren haben. Klaus Piber ist so einer: Neben seinen Wiener Engagements im Steakrestaurant Frank's, dem Nobelasiaten Yohm und der Nudelbar Xo sowie einem Austro-Restaurant in Kansas City, das er mit einem Spross der Wirtsfamilie Grünauer betreibt, war der Multigastronom einst auch Partner Wini Bruggers bei der Gründung des Indochine. Ist auch schon wieder ein Dutzend Jahre her, dass der damalige Hongkong-Heimkehrer Brugger am Wiener Stubenring ein Themenrestaurant mit südostasiatischer Ausrichtung installierte, mit Ventilatoren-Attrappen und anderen Versatzstücken kolonialer Attitüde.

Vor drei Jahren stieg Piber "auf Wunsch von Brugger" aus, vergangenes Jahr war dann überhaupt Schluss, offiziell, weil Brugger sich auf sein (inzwischen auch wieder vergangenes) Engagement im Ritz-Carlton konzentrieren wollte. Piber griff zu und machte aus dem großen Ding am Ring ein Restaurant mit, Zitat, "Latin-inspired market cuisine". Ah, eh.

Eklektisch lauter Design-Mix

Allein die Einrichtung mit abenteuerlich gemusterten Tapeten und buntest bezogenen Stühlen ist auf Polarisierung ausgelegt. Macht aber durchaus etwas her, der eklektisch laute Design-Mix wirkt fröhlich, unbekümmert und passt sicher zum Make-up prospektiver Kundinnen.

Für die Küche hat Piber den Österreicher Alexander Theil verpflichtet, einen Mann, der die vergangenen acht Jahre zwischen dem mexikanischen Luxusresort Los Cabos und New York City gependelt ist - erst in Diensten der unlängst verstorbenen Kochlegende Charlie Trotter, dann des schweizstämmigen US-Luxuskochs Gray Kunz, schließlich bei Jean-Georges Vongerichten. Mit einem Wort: Der Mann sollte wissen, wie man Designer-Food für anspruchsvolle Großstädter macht.

Nur kosten die Speisen im Mercado halt um zwei Drittel weniger als etwa in Vongerichtens Jojo auf der Upper East Side - der Quadratmeterpreis könnte da aber um eine Idee höher sein. Dennoch, wer zur Hauptspeise auch eine (separat zu bestellende) Beilage wünscht, zahlt schnell mehr als 25 Euro. Luxuriöse Zutaten sollte man nicht erwarten, dafür hat Theil seine Gewürze fein beisammen: So wie hier hat es in Wien bislang noch nie nach Neuer Welt geschmeckt.

Craft-Biere

Tiradito vom Lachs etwa (siehe Bild links), mit Yuzu, Knoblauch und Chipotle-Chilis, attraktiv, aber auch extrascharf mariniert, heizt den Durst an - insofern okay, als man sich durch die tollen Craft-Biere (IPA!) der Kleinbrauerei Bruckner im Mostviertel kosten kann. Grünkern-Risotto mit Spargel und Pilzceviche gelingt richtig gut, mit exotisch-fruchtigem Säurespiel, zartem Biss und Käse, der hübsche Fäden zieht: So aufmerksam zubereitet lässt man sich auch heute noch Fusionsküche gefallen.

Der brasilianische Fischeintopf Moqueca hingegen geht daneben, mit tranigem Fisch und aufdringlich seifigem Jungzwiebelreis. Viel besser das in Schokolade geschmorte und knusprig gebratene Shortrib (vulgo Beinfleisch), wunderbar saftig, ideal für Kenner nicht zu mageren Rindfleischs. Den mit Chorizo gerösteten Karfiol sollten sich trotz Empfehlung des Kellners nur jene bestellen, die sich zum Snack auch mal den Inhalt eines wohlgefüllten Aschenbechers gönnen - da s Aroma kalten Rauchs dürfte sich da in ähnlich gefälliger Form konzentrieren. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 16.5.2014)