Bern - Die Schweizer werden wieder einmal zu den Urnen gerufen: Am Sonntag stehen vier nationale Vorlagen zur Abstimmung, von denen drei sehr kontrovers debattiert werden. Es geht um die Beschaffung neuer Kampfjets, um scharfe Maßnahmen gegen Sexualstraftäter sowie um die Einführung eines Mindestlohns.

Die Schweiz kennt bisher keinen staatlich festgelegten Mindestlohn. Lohnfragen werden traditionell zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften geregelt. Doch nur vier von zehn Beschäftigten sind einem solchen Lohnschutz unterstellt. Mehr als 300.000 Angestellte verdienen heute zu wenig, um von ihrem Lohn leben zu können.

In der teuren Schweiz sind 22 Franken (18 Euro) pro Stunde - also gut 3200 Euro im Monat - das Minimum, das die Gewerkschaften mit ihrer Initiative durchsetzen wollen. Obwohl die Initiative abgelehnt werden dürfte, haben die Gewerkschaften schon einiges erreicht: Arbeitgeber wie H&M, Aldi und Lidl haben ihre Mindestlöhne zuletzt auf dieses Niveau erhöht, auch in der Metall- und Maschinenindustrie gibt es einen Tarifvertrag mit Mindestlöhnen.

Für und Wider

Chancen auf Annahme hat hingegen ein Volksbegehren, welches schärfere Strafen für Sexualstraftäter fordert, insbesondere ein lebenslanges Berufs- und Betätigungsverbot im Kinder- und Jugendbereich. SVP-Nationalrätin Natalie Rickli: "Es ist nicht einzusehen, warum ein Sexualstraftäter nach Verbüßung seiner Strafe eine Tätigkeit in einer Schule oder einem Sportclub ausüben soll. Es gibt genügend andere Berufe."

Das Parlament ist aus rechtsstaatlichen Überlegungen dagegen: Es sei unverhältnismäßig und könnte zur Folge haben, "dass ein Gericht einem 20-jährigen Mann zwingend und lebenslang verbieten müsste, als Trainer einer Jugendmannschaft zu arbeiten, weil er und ein knapp 16-jähriges Mädchen eine Liebesbeziehung pflegen." Gerichte müssten einen Ermessensspielraum haben. Das Volksbegehren reiht sich nahtlos in eine Serie von Strafverschärfungen ein, die in den letzten zehn Jahren vom Volk angenommen wurden, die aber rechtsstaatlich schwer umzusetzen sind.

Ein knappes Resultat wird bei der Frage erwartet, ob die Schweiz ihre 54 veralteten Tiger-Kampfjets durch 22 neue schwedische "Greifvögel" ersetzen soll: Die Gripen des schwedischen Herstellers Saab würden in der Anschaffung rund drei Milliarden Euro kosten - zu viel angesichts des Spardrucks in der Bildungs- und Sozialpolitik, finden die Gegner; preiswert und nötig, meint hingegen die Regierung. (kbo/kbo, DER STANDARD, 14.5.2014)