Wien – Kevin ist seit einigen Jahren bekanntlich kein Name, sondern eine Diagnose. Doch auch andere Namen können mühlsteingleich am Hals ihres Trägers hängen, etwa wenn sie berühmten Romanen entnommen sind.
So führt auch der 14-jährige Ismael Leseur all sein jugendliches Unglück darauf zurück, dass sich seine Eltern von Melvilles Moby Dick inspirieren ließen. Er sieht sich eindeutig als Gezeichneter des von und nach ihm benannten Ismael-Leseur-Syndroms, das aus ihm „eine wandelnde Katastrophe“ macht.
Nennt mich nicht Ismael! heißt dementsprechend auch der erfolgreiche Jugendroman des australischen Autors Michael Gerard Bauer, den Regisseur Stefan Behrendt für das Wiener Theater der Jugend adaptierte. Ismael (Wolfgang Türks) erzählt darin, wie ihm sein Schulalltag von Barry Bagsley (Jürgen Heigl) und dessen Kadetten Danny (Rafael Wieser) zur Qual gemacht wird. Kontra bekommen die beiden Rüpel erst, als mit Scobie (Korbinian Josef Müller) ein neuer Schüler zur Klasse stößt. Diesem entgleiten nach einer Tumoroperation zwar gelegentlich die Gesichtszüge, die Rabauken hat er jedoch mit selbstsicherer Wortgewandtheit schnell im Griff. Bis sich Ismael und seine Mitschüler auch ohne Scobie gegenüber Barry und Danny behaupten können, braucht es allerdings noch einige Zeit.
Behrendt inszeniert den Klassenkampf vor, hinter und zwischen Schultafeln (Bühne: Ann Heine) mit einer Handvoll guter Ideen und deutlicher Freude an pubertären Verhaltensauffälligkeiten. Dennoch werden alle Figuren mit Respekt behandelt und wird das ernste Thema Mobbing nie veralbert. Schließlich sollen Theaterbesucher ab elf Jahren auch erleben, wie wohlgewählte Worte über Lärm und Gewalt triumphieren. (Dorian Waller, DER STANDARD, 13.5.2014)