Das weibliche Geschlechtsorgan der Wasserläuferspezies Gerris gracilicornis verfügt über einen "Schutzschild", das männliche Penetration verhindern kann.

Foto: Han, C. S. & Jablonski, P. G. PLOS One
Grafik: Ah-King et.al.

Berlin/Wien - Im Reich der tierischen Sexualität gibt es allerlei Ungewöhnlichkeiten, die eine Diva mit Bart locker in den Schatten stellen. So entdeckte man kürzlich erst eine Staublausart, bei der es die Weibchen sind, die mit ihrem penisartigen Sexualorgan in eine vaginaähnliche Öffnung der Männchen eindringen.

Diese Untersuchung ist noch zu neu, um selbst in eine Studie aufgenommen worden zu sein, die Malin Ah-King, eine Evolutionsbiologin und Genderforscherin der Humboldt-Universität Berlin, mit zwei australischen Kollegen durchführte. Das Forschertrio analysierte 364 in den letzten Jahren erschienene Fachartikel, in denen es um die Evolution von Genitalien ging - von Meeresschnecken ebenso wie von Moschusenten oder Wasserläufern - und machten dabei einige aufschlussreiche Beobachtungen.

Desinteresse an Vaginen

Ganz grundsätzlich stellten Ah-King und Kollegen bei den evolutionsbiologischen Genitalstudien einen auffälligen Penis-Bias fest: 49 Prozent der Artikel, die zwischen 1989 und 2013 erschienen, befassten sich nämlich ausschließlich mit den männlichen Geschlechtsorganen. Nur acht Prozent hingegen waren explizit an den weiblichen interessiert, die restlichen 43 Prozent nahmen beide gemeinsam unter die Lupe.

Überraschend daran ist, dass es wenig Unterschied machte, ob nun männliche oder weibliche Forschende die Untersuchungen durchführten: Auch bei Biologinnen gab es ein deutlich geringeres Interesse an weiblichen Genitalien, wie Ah-King und Kollegen im Fachblatt "Plos Biology" schreiben. Als Hauptgrund vermutet das Forschertrio die widerlegte Annahme, dass Weibchen bei der Fortpflanzung eine passive Rolle spielten. (tasch, DER STANDARD, 13.5.2014)